ADHS-Verdacht? Schlecht beraten mit TikTok

US-Studie: Die meist gesehenen TikTok Videos zu ADHS enthalten falsche Informationen zu Symptomen

Es ist für viele Menschen ein Segen, dass es im Netz so viele und leicht zugängliche Informationen zu Erkrankungen gibt. Betroffene können sich so unkompliziert über ihr Leiden schlau machen. Bedenklich ist allerdings, wenn diese Informationen fehlerhaft und irreführend sind, wie es wohl bei den meisten Gesundheitsvideos in den sozialen Netzwerken ist, die von Laien und nicht von Expert:innen und Ärzt:innen erstellt werden.

Forscher:innen der University of British Columbia haben die 100 in den USA meistgesehenen TikTok-Videos zu ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit oder ohne Hyperaktivität) unter die Lupe genommen. 
Dabei kam heraus, dass weniger als die Hälfte der in diesen Videos gemachten Angaben zu den Symptomen tatsächlich mit denen übereinstimmen, die in klinischen Richtlinien für die Diagnose von ADHS festgelegt sind. Das führt den Forschenden zufolge möglicherweise zu einer veränderten Wahrnehmung der Störung bei jungen Erwachsenen.

„TikTok kann ein unglaubliches Instrument sein, um das Bewusstsein zu schärfen und die Stigmatisierung zu verringern, aber es hat auch eine Kehrseite“, sagte Vasileia Karasavva, Hauptautorin der in PLOS One veröffentlichten Studie. „Anekdoten und persönliche Erfahrungen sind mächtig, aber wenn ihnen der Kontext fehlt, können sie zu Missverständnissen über ADHS und psychische Gesundheit im Allgemeinen führen.“

Falsche Selbstdiagnose

In den Videos teilten viele TikTok-Schöpfer:innen persönliche Erfahrungen, ohne darauf hinzuweisen, dass diese nicht unbedingt auf alle Menschen mit ADHS zutreffen und sogar bei Menschen auftreten können, die nicht an der Störung leiden. Zuschauer:innen interpretieren die Symptome darum möglicherweise falsch oder diagnostizieren sich selbst fälschlicherweise ADHS.

ADHS ist eine der häufigsten neurologischen Entwicklungsstörung, die in der Kindheit diagnostiziert wird und oft bis ins Erwachsenenalter andauert. Sie ist gekennzeichnet durch Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeit, Hyperaktivität und impulsives Verhalten. Schätzungen zufolge sind weltweit etwa drei bis sieben Prozent der Erwachsenen davon betroffen.

Die Forschenden ließen die 100 meistgesehenen TikTok-Videos zunächst von zwei klinischen Psycholog:innen fachlich bewerten. Anschließend wurden 843 Student:innen über ihre TikTok-Gewohnheiten befragt und gebeten, 10 Videos zu bewerten: die fünf von den Psycholog:innen am besten und die fünf am schlechtesten bewerteten Videos.

Dabei zeigte sich, dass die Student:innen die fünf besten Videos schlechter, die fünf schlechtesten Videos besser bewerteten als die Psycholog:innen das getan hatten. Für die Forschenden zeigt das, dass Qualität und Fehlinformationen nicht gut erkannt werden. Gleichzeitig wird aber die Wahrnehmung von ADHS verzerrt. Die Zuschauer:innen überschätzen bei häufigem Konsum solcher Videos immer mehr, wie häufig die Krankheit vorkommt und wie schwer die Symptome sind.

Die Wissenschaftler:innen empfehlen darum, dass sich Fachleute stärker in die Diskussionen auf Social Media einbringen sollten, um Fehlinformationen entgegenzuwirken und sicherzustellen, dass junge Menschen Zugang zu zuverlässigen Informationen haben.

„Einige junge Erwachsene wenden sich an TikTok, weil sie Zugangshindernisse haben oder negative Erfahrungen mit Fachleuten aus dem Bereich der psychischen Gesundheit gemacht haben“, so Dr. Amori Mikami, Professor für Psychologie an der UBC und Hauptautor der Studie. „Es liegt auch in unserer Verantwortung, Gerechtigkeitslücken bei der Frage, wer einen Psychologen aufsuchen kann, zu schließen.“

Die Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, professionellen Rat einzuholen, wenn man eine ADHS-Diagnose in Betracht zieht. TikTok kann zwar ein wertvolles Instrument zur Gemeinschaftsbildung sein, sollte aber wissenschaftliche Quellen und Beratung nicht ersetzen.

Quelle

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 31. März 2025