Geometrie kann jeder
Studie zeigt: Menschen sind die geborenen Mathematiker
Du verstehst im Mathe-Unterricht nur Bahnhof, die Zahlenfolgen kommen dir vor wie Hieroglyphen? Dabei ist Mathematik doch eine der natürlichsten Sachen der Welt. Ganz intuitiv, ohne Mathematikunterricht, verstehen wir die grundlegenden Regeln der Geometrie.
Das zumindest berichtet ein französisches Forscherteam im Fachmagazin “Proceedings of the National Academy of Sciences”.
Für eine Studie baten Véronique Izard von der Universität Paris Descartes und ihre Kollegen Angehörige des Volkes der Munduruku im brasilianischen Amazonasgebiet zum Mathematik-Test. Die Ureinwohner haben nie Mathematikunterricht genossen. Ihre Sprache kennt keine Begriffe für rechte Winkel, Parallelen oder größere Zahlenmengen. Dennoch schnitten die Waldbewohner bei Tests genauso gut ab wie eine Kontrollgruppe von 12 US-amerikanischen Erwachsenen und acht französischen Kindern, die regelmäßig den Mathematikunterricht besuchten.
30 Munduruku im Alter von sieben bis 75 Jahren sollten mehrere mathematische Fragen beantworten, wie etwa: „können sich zwei Wege an mehr als einer Stelle schneiden?“ und „können zwei Wege durch zwei Dörfer führen?“. In weiteren Testteilen sollten die TeilnehmerInnen einfache Zeichnungen vervollständigen. Zu sehen waren beispielsweise zwei schräge, nicht parallele Linien, deren Enden rechts weiter auseinander lagen als links. 93 Prozent der Munduruku gaben die richtige Antwort, dass sich die Linien, würde man sie weiterzeichnen links kreuzen würden, rechts jedoch niemals. Auch die fehlende Spitze eines angedeuteten Dreiecks konnten sie mit den Armen genauso exakt nachbilden wie die französischen und amerikanischen Kinder und Erwachsenen der Kontrollgruppe.
Insgesamt haben die Munduruku in allen Aufgabenbereichen sehr gut abgeschnitten und ihre Antworten waren vergleichbar mit denen der mathematisch vorgebildeten Personen der Vergleichsgruppe. Nur die Sechsjährigen US-amerikanischen Kinder schnitten in den Tests deutlich schlechter ab als alle anderen.
Aus den Ergebnissen der Studie schließen die ForscherInnen, dass wir ein Grundverständnis für geometrische Konzepte bereits bei der Geburt mitbekommen, sich dieses aber erst ab einem gewissen Entwicklungsstadium entfaltet. Sie gehen also davon aus, dass die mathematischen Anlagen bereits im Gehirn vorhanden sind und wir diese im Alltagsleben, durch den Umgang mit räumlichen Strukturen der Umwelt, aktivieren – egal, in welcher Kultur wir aufwachsen. Das gute Abschneiden der Munduruku zeige jedenfalls, dass das menschliche Gehirn auch ohne Schulbildung mühelos geometrische Grundregeln begreifen und das täglich Erlebte auf komplexere Ebenen anwenden kann.
Die Studie ist erschienen im Magazin "Proceedings of the National Academy of Sciences", DOI 10.1073/pnas.1016686108
Autorin / Autor: Redaktion, - Stand: 24. Mai 2011