Grundrechte - total normal?

Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 56 Jahre alt. Wisst ihr eigentlich genau, was drin steht?

Wenn man das Wort Verfassung hört, denkt man zunächst an ein altes verstaubtes Dokument, das von längst verstorbenen Staatsmännern und -frauen irgendwann einmal feierlich niedergeschrieben wurde. Dabei ist es gerade erst 56 Jahre her, dass das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet wurde. Für die fünf neuen Bundesländer Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gilt es sogar erst seit dem 3. Oktober 1990.

Grundgesetz - was steht drin?

In seinen Artikeln 1 bis 146 legt das Grundgesetz die Grundrechte der Bürger und die Organisation des Staates fest. Grundrechte sind Rechte des Bürgers gegen den Staat. Gegenstand der Staatsorganisation sind die Staatszielbestimmungen(verfassungsrechtliche Grundprinzipien), die obersten Staatsorgane und die Staatsfunktionen. Die Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern ist dort ebenso geregelt wie etwa Einzelheiten zum Amt des Bundespräsidenten. An erster Stelle jedoch nennt das Grundgesetz zahlreiche Rechte wie etwa die Freiheit der Person oder das Recht auf Leben. Auf bestimmte Grundrechte können sich alle Menschen berufen, andere Grundrechte schützen dagegen nur Deutsche. Alle gemeinsam bilden sie die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft und erscheinen uns vielleicht deshalb heute oft selbstverständlich - aber sind sie das auch wirklich?

Menschenwürde

Erst im letzten Jahr sorgte der Entführungsfall Jakob von Metzler für Schlagzeilen. Nach dem Verschwinden des Elfjährigen nahm die Polizei einen Verdächtigen fest, der sich jedoch weigerte, den Aufenthaltsort des Kindes zu verraten. Um ihn zum Reden zu bringen, drohte einer der Ermittler dem mutmaßlichen Entführer mit "Schmerzen, wie er sie noch nie erlebt habe". Für den Polizisten ging es darum, das Leben des Kindes zu retten. Dennoch verstieß er damit eindeutig gegen das Grundgesetz, das die Androhung von Gewalt oder gar Folter verbietet. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es dazu in Artikel 1 GG - und das gilt für Straftäter und Verdächtige gleichermaßen.

Gleichberechtigung

Eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht immer leicht. Noch schwieriger stellt sich die Situation oftmals für Frauen oder für Menschen mit ausländischer Herkunft dar. Artikel 3 des Grundgesetzes hat deshalb zum Ziel, derartige Ungerechtigkeiten zu vermeiden und die Chancengleichheit zu fördern. Im Original klingt das so: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."

Wehrpflicht

Längst ist die Bundeswehr im Rahmen von Friedenseinsätzen auch im Ausland aktiv. Neben Berufs- und Zeitsoldaten leisten hier auch Wehrpflichtige ihren Dienst bei Heer, Marine oder Luftwaffe ab – auch das regelt das Grundgesetz. Die Wehrpflicht soll dabei sicherstellen, dass sich die Bundeswehr aus einem möglichst breiten Querschnitt der Bevölkerung zusammensetzt. Somit kann jeder männliche Jugendliche, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, zum Militärdienst einberufen werden. Aber könntest du dir vorstellen, als Soldat im Zweifelsfall auf jemanden zu schießen? Keine einfache Entscheidung. Die Möglichkeit, stattdessen Zivil- oder Ersatzdienst zu leisten, bietet dir der Artikel 4 des Grundgesetzes. Dort steht: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Auch ein Grundrecht.

Meinungsfreiheit

In Deutschland darf prinzipiell jeder sagen, was er denkt. Grundlage hierfür ist der Artikel 5 des Grundgesetzes, der das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet und gleichzeitig den Medien in Deutschland die Pressefreiheit garantiert. Damit ist sichergestellt, dass zum Beispiel Zeitungen nicht zensiert oder verboten werden können, weil sie kritisch berichtet haben. Das heißt allerdings nicht, dass deshalb alles erlaubt ist. So dürfen andere Menschen keinesfalls beleidigt werden und bestehende Gesetze müssen anerkannt werden. Wer etwa den Holocaust leugnet, kann sich dabei nicht auf seine Meinungsfreiheit berufen.

Versammlungsfreiheit

Bemalte Transparente, jede Menge Lärm und vor allem möglichst viele Menschen, die auf den Straßen ihrem Ärger Luft machen. Auf einer Demonstration waren sicherlich viele von euch auch schon einmal, um mit Trillerpfeifen und Parolen auf ein bestimmtes Problem aufmerksam zu machen. Meist richtet sich dieser Protest gegen politische Entscheidungen und kritisiert damit auch die jeweilige Regierung. Genau aus diesem Grund sind Demonstrationen in einigen Ländern heute immer noch verboten. In Deutschland ist das dank Artikel 8 GG anders: Versammlungsfreiheit bedeutet das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Asylrecht

Nach Artikel 16a des Grundgesetzes gewährt Deutschland politisch verfolgten Menschen Asyl. Anders als die bereits genannten Grundrechte richtet sich dieses nicht an bereits hier lebende Menschen, sondern an solche, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Oft herrscht in diesen Ländern Bürgerkrieg oder ein Regime, das sich nicht an die Grundrechte hält und seine Gegner mit Gefängnis oder gar dem Tod bedroht. Während des Zweiten Weltkrieges mussten viele Deutsche vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten fliehen und in anderen Ländern Schutz suchen. Aus dieser Erfahrung heraus hat die Bundesrepublik nach dem Krieg das Grundrecht auf Asyl ins Grundgesetz aufgenommen.

Vom Grund- zum Menschenrecht

Gerade das Asylrecht macht deutlich, wie wichtig es ist, dass sich Grundrechte weltweit durchsetzen. Im internationalen Rahmen spricht man in diesem Zusammenhang deshalb oft auch von Menschenrechten. Diese sind nicht mehr an eine bestimmte Verfassung gebunden, sondern besitzen universelle Gültigkeit. Diese Idee lag auch der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" zugrunde, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) verabschiedet wurde. Längst nicht alle Regierungen haben diese Vorgaben auch tatsächlich umgesetzt, und so nutzen viele in Deutschland lebende Ausländer die Möglichkeit, hier für Veränderungen in ihrer Heimat zu demonstrieren. Denn bis heute ist es leider in vielen Ländern nicht selbstverständlich, seine Meinung frei und offen sagen zu können.

Noch mehr Grundrechte...

Die oben genannten Beispiele geben nur einen Teil der im Grundgesetz aufgeführten Grundrechte wieder. In anderen Artikeln werden Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates gestellt, die Organisation des Schulwesens geregelt oder das Briefgeheimnis geschützt. Welchen Beruf du ergreifst, bleibt ebenso deine freie Entscheidung wie die Wahl deines Wohnortes. Artikel 13 GG legt darüber hinaus fest, dass deine Wohnung nicht ohne weiteres von der Polizei durchsucht oder abgehört werden darf. Alles nichts Besonderes? Was dir so alltäglich erscheint, müssen viele Menschen weltweit erst noch erkämpfen...

Mitmischen.de: Sag deine Meinung!

Dieser Artikel ist entnommen von Mitmischen.de, dem Jugendforum des Deutschen Bundestages. Vielen Dank!!!

Autorin / Autor: Joachim Baars mitmischen.de - Stand: 25. Mai 2005