Plädoyer für ein Museum der Migration
"Alemanya, ein, zwei Jahre - und dann zurück", das hatten sie sich vorgenommen, die ersten Einwanderer aus Italien, Griechenland oder der Türkei in den Fünfzigern. Doch meist kam es anders. Sie blieben, holten ihre Familien nach und leben heute in der dritten Generation in einem Land, das sie rief, aber nie recht wollte. Jeder Zehnte, der in Deutschland lebt, ist Ausländer. Bis heute sind kaum Straßen, Plätze oder Gebäude nach Migranten benannt, gibt es selten Akte öffentlicher Anerkennung, Denkmäler - höchstens für die Mordopfer von Solingen. So zynisch es klingt: "Um in den öffentlichen Raum zu kommen, muss man erstmal ermordet werden", sagt Jan Motte vom Verein Migrationsmuseum in Deutschland. 2000 gab es zwar eine Staatsbürgerschaftsrechtsreform, aber keine generelle Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft. Viele wollten sie gar nicht mehr, aus Stolz, aus Phlegma, das sie sich zugelegt hatten: "Ich bin so lange ohne sie ausgekommen, warum soll ich sie beantragen?", haben sich viele Einwanderer gesagt.
*Museum für Migration*
"Dafür, dass Migranten 40 oder 50 Jahre Steuern zahlen, kommen sie in unseren Museen kaum vor, und wenn, nur in der Perspektive: Wir Deutsche sind gut zu Ausländern", sagt Motte. Im Bonner Haus der Geschichte steht das Moped eines Portugiesen, des Millionsten "Gastarbeiters" - ein symbolisches Ausstellungsstück, aber für Motte nur eine Sicht 50-jähriger Migrationsgeschichte. "Ich bin dafür, dieses Bild zu ergänzen."
Ein Museum für Migration könnte das. Die Planungen laufen. Seit Oktober 2003 gibt es einen Verein in Köln, der sich darum bemüht, mit klarem Ziel: die Menschen anzurühren, mit Fotos und Erinnerungen. Was fehlt, ist eine Projektgruppe, die sich um Kosten kümmert. Das Museum könnte in Hamburg, Berlin, Frankfurt, Köln stehen, im Deutzer Bahnhof etwa, in dem Hunderttausende Migranten in den Fünfzigern angekommen sind.
*Espresso, Maßanzüge und Hochkultur*
"Genau diese Generation stirbt langsam aus, sie ist auch die treibende Kraft für das Museum, weil sie der zweiten, dritten Generation etwas hinterlassen will." Es soll kein Museum für Migranten werden, betont Motte, sondern für alle Deutschen. Interessante Ausstellungen zum Thema gab es schon: Die Zeche Hannover in Bochum etwa hat in "Bochum-Rimini" gezeigt, wie sich Deutsche mit VW, Wohnwagen und Stullen Italien annäherten. "Das Italienbild hat sich ja komplett gewandelt", sagt Motte. "Früher waren es 'kleine, dreckige Spaghettifresser', die deutschen Männern ihre Frauen wegnahmen, heute sind es Espresso, Maßanzüge und Hochkultur."
Autorin / Autor: Viola Keeve von fluter.de - Stand: 14. Juli 2004