Kinder und Karriere? - Teil 3

Chat mit der Bundesfamilienministerin auf REGIERUNGonline

*schokohäschen*: Väter an den Herd.

*Renate Schmidt*: Ja. Wenn sie kochen können.
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*indira*: Welche Bedeutung hat das Thema "Famile und Erwerbstätigkeit" in der Agenda 2010? Gibt es konkrete Aufgaben, die in diesem Bereich umgesetzt werden sollen? Wieviel will die Bundesregierung z.B. in die Kinderbetreuung investieren und wie will sie in diesem Bereich Einfluss nehmen, der Bereich liegt ja eigentlich in der Zuständigkeit der Bundesländer.

*AgendaFamilie*: Mal ketzerisch gefragt. Bei fast 5 Mio. Arbeitslosen, wollen wir wirklich alle Alleinerziehenden und "Hausmütter" auch noch in der Schlange der Arbeitslosen einsortieren? Wäre es nicht sinnvoller, sowohl gesellschaftlich als auch monetär diese Art Arbeit (Kindererziehung, Haushalt) tatsächlich zu wertschätzen als immer "progressiv" die diese wertvolle Arbeit Ausführenden wieder in "die Fabriken" zu schicken?

*Renate Schmidt*: Niemand will irgendeine Frau in die Fabrik schicken! Die Frauen sind aber heute so gut ausgebildet wie noch nie zuvor, haben die Männer in ihrer Qualifikation nicht nur ein- sondern sogar überholt, und sie wollen diese gute Ausbildung auch nutzen. Übrigens ist es nicht so, dass in den Ländern mit höherer Frauenerwerbsbeteiligung ín Europa nicht etwa die Arbeitslosigkeit höher ist, sondern niedriger. Denn Frauen, die erwerbstätig sind, schaffen alleine durch ihre Erwerbstätigkeit zusätzliche Arbeitsplätze - und zwar nicht nur im Bereich der Kinderbetreuung, sondern in vielen Bereichen der Dienstleistung und darüber hinaus. Ich betone aber noch einmal: für mich sind alle Lebensmodelle gleich viel wert. Diejenigen, die erwerbstätig sein wollen, müssen dies trotz Kindern können, und diejenigen, die zu Hause bleiben wollen und erst, wenn die Kinder größer sind, wieder in den Beruf zurück wollen, müssen dies genauso können. Keine Gruppe darf auf Kosten der anderen diskriminiert werden.
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*Nachfrager*: Wie kommen Sie denn auf die Annahme, dass Frauen die Männer in der Qualifikation überholt haben. Ich würde mich nicht trauen, das Gegenteil zu behaupten, aber eine solche Aussage ist doch an den Haaren herbeigezogen.

*Renate Schmidt*: Ich möchte nicht in die falsche Schublade gesteckt werden: Ich mag Männer, wenn auch nicht alle gleichermaßen und nicht alle gleichzeitig, aber es bleibt ein Fakt, dass die messbare Qualifikation von Frauen in der Zwischenzeit höher ist als die der Männer sowohl bei der beruflichen Bildung (bessere und mehr Abschlüsse) als auch bei der schulischen Ausbildung (mehr Abiturientinnen, bessere Noten in allen Schularten). Dieses Jahr gibt es das erste Mal mehr Studienanfängerinnen als Studienanfänger. Dies alles sagt nichts über Qualifikationen an anderer Stelle aus, aber auch beim ehrenamtlichen Engagement haben Frauen zumindest was die konkrete Arbeit betrifft, die Nase vorn.

*kanu*: Nochmal meine Frage (weil die bislang souverän ignoriert worden ist): Nichts gegen Allianzen - aber wären gesetzliche Regelungen (wie im geplanten Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorgesehen) nicht der bessere Weg, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durchzusetzen? Sonst wird sich doch nur da was bewegen, wo Firmen in der Tat auf die Arbeitskraft und Qualifikationen von Frauen angewiesen sind. Und das ist eben nicht überall der Fall - bei 4,5 Millionen Arbeitslosen.

*Renate Schmidt*: Niemals ignoriere ich irgend etwas - also sorry! Nein, gesetzliche Regelungen sind *nicht* immer besser. Ich möchte das an dem Beispiel des Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung (den ich befürworte) deutlich machen: Was nutzt dieser Anspruch, wenn er nicht realisiert werden kann, weil die Arbeitgeber ihn blockieren und z.B. eine Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer sagen, der teilzeitbeschäftigt sein möchte: "Sie können das gerne tun, aber Sie können sicher sein, wir werden eine Möglichkeit finden, dass Sie dies nicht auf lange Zeit in unserem Unternehmen tun werden." So etwas nutzt niemandem. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen erkennen, dass es in ihrem - auch wirtschaftlichen! -Interesse ist, Frauen in Führungspositionen zu beschäftigen (Unternehmen, die eine gute Mischung von Frauen und Männern in der Führung haben, sind wirtschaftlich erfolgreicher) und die Familien die Möglichkeiten bieten, die sie brauchen, um ihre Kinder gut großziehen zu können. Auch hier noch eine kleine Anmerkung: Unsere ökonomisch derzeit schlechte Situation hat auch etwas mit der niedrigen Geburtenrate zu tun. Denn in einem reichen Land, wie wir es nach wie vor trotz aller Schwierigkeiten sind, bedeuten weniger Kinder weniger Wohlstand und zwar nicht erst in 40 Jahren, sondern schon heute.

*Lucia Serlenga*: Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Bereitschaft, unsere Fragen hier zu beantworten.

*Renate Schmidt*: Ich bedanke mich bei Ihnen allen, die Sie so eifrig mitdiskutiert haben, und vor allem bei denen, die das gut fanden. Mir hat es Spaß gemacht. Jetzt ruft der nächste Termin und spät in der Nacht noch der Schreibtisch. Tschüß, bis demnächst!

Quelle

Wir danken der Redaktion von REGIERUNGonline, dass wir den Chat in Auszügen veröffentlichen durften.

Autorin / Autor: REGIERUNGonline/Redaktion - Stand: 25. August 2003