Wie die Zeit vergeht... - Teil 2

Eine Stunde ist eine Stunde ist eine Stunde...

Lichttag

Die Auffassung von Zeit im europäischen Mittelalter war stark von der Kirche beeinflusst. Die Klöster hatten ihr eigenes Zeitsystem, die sogenannten Temporalstunden, die die Zeiten für das Chorgebet regelten. Man teilte den Tag in zwei Teile - von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang = Lichttag, und von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang = Nacht. Diese Abschnitte hatten jeweils zwölf Stunden. Im Sommer waren also die Tagstunden länger als die Nachtstunden, im Winter war es umgekehrt. Das schmeckte den Benediktinern, die als Verehrer absoluter Pünktlichkeit galten, aber gar nicht, und so setzten sie sich für den Gebrauch von Wasseruhren ein.

Die "Himmlische Waage"

Auch außerhalb von Europa wurde allerorts fleißig an der Entwicklung von Uhren gearbeitet. In China hatte der Mönch Su Sung eine monumentale astronomische Wasseruhr erfunden, die "Himmlische Waage", die durch ihre Größe und Kunstfertigkeit auffiel. Übrigens: China war besonders an der Entwicklung von präzisen Zeitmessern interessiert, weil es einen riesigen Beamtenapparat hatte, der Ordnung und Disziplin brauchte. Nachdem sich in Europa mehr und mehr Städte entwickelten, wurde auch hier die mechanische Uhr mit Gewichtsantrieb und Räderwerk erfunden. Im Jahr 1292 gibt es in Sens die erste monumentale Räderuhr und im 14. Jahrhundert werden Uhren in Italien in den öffentlichen Raum gebracht. Die Uhr wird zu einem Symbol und einem Kunstwerk: sogar die Dichter sind voller Bewunderung. So vergleicht der Franzose Jean Froissart in seinem Gedicht "L´Orloge Amoureus" die einzelnen Teile der Uhr mit den Eigenschaften der Liebe.

Die Zeit regiert die Menschen

Die mechanischen Uhren bekamen kurzfristig Konkurrenz durch die Sanduhren oder auch Eieruhren genannt. Ihren Namen bekamen sie übrigens schon, bevor man sie zum Eierkochen benutzte: die konischen Gläser waren nämlich oft mit feingemahlenen Eierschalen gefüllt. Sie waren preiswert, geräuschlos und zuverlässig, sodass sie in vielen Bereichen eingesetzt werden konnten. Allerdings konnten sie es nicht schaffen, sich durchzusetzen. Die mechanische Uhr hatte gesiegt und breitete sich wie ein Flächenbrand über ganz Europa aus. Sie war nicht nur Symbol für Innovationsbereitschaft und Tatkraft, sondern auch für Reichtum und Prestige. Viele Städte schafften sich eine Uhr an, weil andere auch schon eine hatten. Die Zeit begann die Städte zu regieren: auf Märkten, in Schulen, in Sitzungen und Gremien, überall wurde die neue Stundenordnung als selbstverständlich vorausgesetzt. Schlaguhren sollen die "Bürger ehrbarer Städte zur Ordnung und Müßiggänger zur Tugend aufrufen", sagte der König in Barcelona 1392.

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Autorin / Autor: ~rosi~ - Stand: 4. Oktober 2002