Interview mit der Botschafterin Astrid Penner. Sie ist Elektroingenieurin bei Siemens am Standort Bielefeld.
Du engagierst dich im Projekt MINTrelation und bringst interessierten Schülerinnen deine Arbeit näher. Was ist deine Motivation dabei?
Viele Mädchen haben den Eindruck, dass man erheblich besser sein muss, als die Jungs und da sie das nicht sind, schließen sie von vorne herein aus, einen technischen Beruf zu nehmen. Allerdings wissen die Jungs bei weitem nicht mehr und sind auch nicht besser ausgebildet. Ich würde sagen, dass ich zu den "normal" durchschnittlichen gehöre. Aber das, was wir tun, hat mit lebenslangem Lernen zu tun und ist niemals abgeschlossen. Daher bin ich auch ständig auf der Suche nach Weiterbildungsmöglichkeiten. Ich glaube, wenn wir davon abkommen, nur technisch begabte, überaus begabte Schülerinnen auszuwählen, dann melden sich viel mehr. Das Interesse an Technik und an programmierbaren Abläufen, sagen wir mal an der "Sendung mit der MAUS" sollte da sein. Fragen stellen, neugierig sein - das ist viel wichtiger, als die Noten in der Schule. Das kann natürlich am besten jemand vermitteln, der in der Technik arbeitet. Dazu bin ich auch gerne bereit. Ich selbst bin hochmotiviert dabei und auch sehr zufrieden in dem Beruf, allerdings lege ich auch einen sehr großen Wert auf Familie. Meine Firma hat mir sehr dabei geholfen, beides zu vereinbaren und mich sehr dabei unterstützt. Daher bin ich auch sehr motiviert, andere dazu zu ermutigen.
*Hat sich durch das Projekt auch für dich persönlich oder/und in der Firma etwas verändert?*
Für mich hat sich schon der Blick auf die Notwendigkeit der Förderung geändert. Dadurch bedingt habe ich schon mit einigen Mädchen gesprochen und meine auch, heraushören zu können, wer wirkliches Interesse hat.
*Hat deine Firma ein besonderes Interesse an weiblichem Nachwuchs? Wenn ja, warum?*
Das ist nicht wirklich zu spüren. Im Zuge der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion ist es für die Firma sicher wichtig, auch mit Frauen in Männerberufen zu werben, der Umgang damit ist aber meiner Meinung nach mehr als zögerlich. Bei Verhandlungen mit Kunden im technischen Bereich ist die Anwesenheit von Frauen noch sehr ungewöhnlich, nimmt aber in Krisenbesprechungen oft die Schärfe im Ton - und so kann eine lösungsorientierte Diskussion stattfinden. Daher sind die gemischt-geschlechtlichen Teams von besonderem Interesse für unsere Firmen. In der Entwicklung von Produkten sind auch mehr Frauen eingestellt.
*Wie bist du selbst darauf gekommen, einen Beruf im technischen Bereich auszuwählen?*
Mein Interesse galt schon immer mehr den technischen Dingen, so kaufe ich z.B. lieber eine High-Tec Kaffeemaschine ein, statt ein neues T-Shirt. Dennoch finde ich mit Abstand am besten an meinem Beruf, dass sich immer irgendwann ein "Erfolgserlebnis" einstellt. Daher ist es so wichtig, dieses auch zu vermitteln. Die Maschinen, Programme oder Zeichnungen, werden irgendwann laufen oder realisiert. Wenn dann das fertige Produkt hinten aus der Maschine purzelt ist das ein persönlicher Erfolg, den man ersteinmal mit nichts vergleichen kann.
*Ist es für dich inzwischen Normalität geworden, einen technischen Beruf auszuüben
oder fühlst du dich manchmal noch als Exotin?*
Ich fühle mich immer noch als Exotin, aber sehr viel sicherer als vor 20 Jahren. Ich weiß, dass überall auf der Welt, auch in den unterschiedlichen Firmen mit Wasser gekocht wird und dass überall da, wo Menschen etwas entwickeln, Fehler gemacht werden. Daher nimmt mir das den Druck, immer alles richtig machen zu können, aber es fordert mich auch heraus, immer alles so gut wie ich es kann zu machen. Ich habe weltweit Ansprechpartner und Kollegen, die ähnliches schonmal realisiert haben. Man kämpft niemals alleine. Allerdings ist man auch selbst verantwortlich, auf dem Gebiet, für das man zuständig ist, so gut wie möglich qualifiziert zu sein.
*Viele Fachleute zerbrechen sich den Kopf darüber, wie man mehr junge Frauen für die sogenannten MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) begeistern könnte. Was ist dein Vorschlag dazu?*
Ich habe in letzter Zeit eine Qualifizierung mitgemacht, mit der es möglich ist, kognitive Fähigkeiten an Menschen ab der 7. Klasse zu testen. Für einen Ingenieurberuf oder einen technischen Beruf sind bestimmte Fähigkeiten in Problemlösungsansätzen, Urteilsvermögen, Kreativität und Auffassungsgabe erforderlich. Die Kombination und Förderung dieser Fähigkeiten wird in den Schulen aber so gut wie gar nicht abgefragt. Daher liegen die Schwerpunkte immer auf den naturwissenschaftlichen Noten. Das ist zu engstirnig gedacht. Die Jugendlichen, die ich gestestet habe, waren überrascht von dem Ergebnis. Diese Überraschung kann man nutzen: Wenn Jugendliche irgendetwas über sich schwarz auf weiß dokumentiert sehen, dann glauben sie eher an sich und ihre Fähigkeiten, als wenn ein Lehrer subjektiv beurteilt. Diese Kraft aus dem Ergebnis kann dann das Interesse in die richtige Richtung lenken. Davon bin ich überzeugt.
*Was denkst du über die Medien? Wie könnten sie mehr zur Verbesserung der Bekanntheitsgrades und des Images dieser Berufe beitragen?*
Es gibt Videos über Karrierefrauen, Lebensberichte von sehr erfolgreichen Singles und alleinstehenden Frauen, die sich in der Technikwelt durchschlagen. Aber es gibt gar keine Familienfrau, die alles unter einen Hut bringt, die auch mit einer Halbtagsstelle zufrieden ist. Das genau ist aber der Schlüssel. Viele Mädchen und junge Frauen wollen nicht auf Familie verzichten. In einer Unterlage zur Bewerbung fand ich sogar den Passus: "Sagen sie nichts von Familie, das wollen Männer nicht hören." So geht es nicht! Wir gewinnen weder gesellschaftlich, noch industriell dabei, denn wir brauchen Familien. Schön wäre es, wenn leistungsfähige Berichte von "normalen" Frauen in technischen Berufen beschrieben werden, wo auch ein wichtiger Teil auf ihre soziale Kompetenz gelegt wird. Und dass es geht zeigen Hunderte von Frauen.