Der ungeschminkte Schmerz
von Helena Weitzel
Mein Job ist das, was man sieht,
Nicht das, was tief in mir geschieht.
So verkauf‘ ich mich für Scheine,
Doch reicht’s mir nicht aus,
Brauch‘ nen flachen Bauch & lange Beine.
Klack, klack – der Kamera schenk ich einen Kuss.
Für die Glamour tu ich alles, was ich muss.
Der Fotograf ruft: mach auf crazy, mach auf happy.
Ich wälz mich auf Betten, fühl‘ mich eher Deppy.
Der ewige Schwindel zieht mich runter,
Manch‘ ein Tablettchen macht mich munter,
Doch das heilt nicht Seele und Herz,
In mir tobt ein unterdrückter Schmerz,
Der Stress- der ist ein böser Geist,
Der immer mehr von meiner Power speist.
„Jury, ich will gewinnen“ heißt: „ich bin bereit zu leiden“,
Sie erinnern mich: Andere Mädchen würden mich beneiden.
Glitzer, Glitzer, Blitzgewitter: wer ist dünner, wer ist dicker?
Flimmer, Flimmer, Lichterglimmer: Essen sollt ich nie & nimmer.
Goldleuchtend ist mein Kleid, das so im Kameralicht scheint.
Weiß ist mein Gesicht, da unter der Makeup-Schicht.
Catwalk, people! Ich spür die tötenden Blicke,
Von der einen oder anderen schönen Zicke.
Dort auf der Bühne schieb ich ne große Nummer,
Doch in mir wächst der Schmerz und Kummer.
Nächster Termin – man wartet sicher nicht.
Ich will dahin –mitten ins Scheinwerferlicht!
Unheimlich, ihre mikroskopischen Blicke,
Ich schluck es runter – bis ich daran ersticke.
Sie finden mich nicht haute couture.
Was ist das- Ein Pickel? Ein Geschwür?
Sie lachen kurz, was ein dummes Gekicher,
Ich bin ein Highheel -Kartenhaus- so verdammt unsicher.
New York, München, Paris
Ich, die Prinzessin im Modelparadies.
Das war einst mein Traum,
Wohl eher ne Blase im Seifenschaum.
Zwei Tage hab ich nichts gegessen.
Wie konnt‘ ich das vergessen?
Schön und Reich- das will ich sein
Zum Leben sag ich deshalb nein.
Denn ein langes Leben schätzt man nicht,
Sondern das mit hübschem Gesicht.
Autorin / Autor: Helena Weitzel