Na Klasse!
stricksogge denkt laut über Klassen- und Schubladendenken.
Klassen gibt es überall. Klassen gibt es im Bildungswesen. Die Klasse gibt es in der Mathematik. Klassen gibt es im Marxismus, in der Biologie, im Sport und in der Soziologie. Klassen gibt es überall und ganz besonders bei den Jugendlichen. Noch nie war Klassendenken bei uns so verbreitet und doch so verabscheut. Doch was bedeutet der Begriff „Klasse“ eigentlich? Einmal kommt er vom lateinischen Begriff „classis“, der soviel bedeutet wie „Herbeirufung“ oder „herbeigerufene Volksmasse“. Noch treffender, finde ich allerdings, beschreibt ihn das Wort „classe“ aus dem Französischen, das mit „Gruppe mit besonderen, gemeinsamen Merkmalen“ übersetzt wird. Und diese Merkmale können aus sämtlichen Bereichen stammen, es können zum Beispiel persönliche Interessen sein. „Klassen“ in diesem Zusammenhang werden auch gerne „Schubladen“ genannt und das Zuteilen anderer Menschen in diese Schubladen „Schubladendenken“.
Klassendenken ist ganz einfach und gerade deshalb macht es auch so großen Spaß. Wir lernen einen neuen Menschen kennen und schon nach dem ersten Eindruck haben wir ihn, schön abgeheftet, in irgendeiner Schublade abgelegt. Vielleicht machen wir das nicht einmal mit Absicht und keine Angst, dieses Verhalten ist menschlich. Wir können uns noch so dagegen wehren, wie wir wollen, wir Menschen können nicht anders, wir denken in Klassen. Und so schieben wir weiter unsere Mitmenschen in Schubladen, manchmal sogar uns selbst, und freuen uns über das schöne Wetter und wie benutzerfreundlich rational das Leben doch ist.
*Doch das ist es nicht.*
Es ist ja tatsächlich statistisch belegt, dass jeder Mensch in seiner Art, in seinen Fähigkeiten und seinem Charakter auf dieser weiten, weiten Welt ein Unikat ist. Und das scheint man mit der Zeit bemerkt zu haben. Jetzt hat Individualität Klasse, man will einzigartig sein. Es amüsiert mich doch immer wieder meine Altersgenossen genau deshalb sagen zu hören, sie würden sich jetzt von der Menge abheben und „anders rumlaufen“ als alle anderen. Wow, und am nächsten Tag kommen sie mit schwarzen Klamotten, Kirschohrringen und karierten Vans in die Schule, um sich dann doch der Mode angepasst zu haben. Nur, um es mal bemerkt zu haben: Nur um der Individualität Willen individuell zu sein, ist nicht individuell.
Ein besonders oft für Klassen- oder Schubladendenken missbrauchtes Merkmal ist die bevorzugte Musikrichtung eines Menschen. Menschen werfen sich dumme Bemerkungen und Kraftausdrücke an den Kopf, bloß weil Hip Hop angeblich „da best“ sei, ohne darüber nachzudenken, dass der „Rocker“ da drüben an und für sich ein ganz feiner Kerl sein kann (aber er ist halt ein „Rocker“). Menschen behaupten, sie seien „Emos“, andere wiederum streiten es vehement ab, einer zu sein, ohne dass es überhaupt eine eindeutige Definition für den Begriff „Emo“ gibt (Also worüber all das Theater?). Menschen sind ja so doof. Dass man sich dagegen wehrt, in eine Klasse gesteckt zu werden, kann ich nur verstehen, doch auch so passt man dafür in die Klasse „Rebell“. Außerdem geht man vom Klassendenken des Gegenüber aus und alleine das ist schon wieder Klassendenken. Man steckt ihn in die Klasse der Klassendenker. Wie ich schon sagte, wir können nicht anders als in Klassen zu denken. Dass manche sich allerdings auch noch selbst in eine Klasse stecken, kapier ich nicht. Sie geben komplett freiwillig an, einem bestimmten Prototypen von Mensch zu entsprechen, verzichten ohne irgendwie dazu gezwungen zu werden, auf ihren letzten Rest Individualität und Persönlichkeit. Natürlich, Klassen vermitteln eine Art Gemeinschaftsgefühl - man gehört dazu, man hält zusammen – aber erfüllt genau diesen Aspekt nicht auch die Freundschaft?
Respektiert und toleriert euch gegenseitig. Ja, die Welt ist kompliziert, komplex und ein Wirrwarr aus sämtlichen Lebensformen, die alle als eigenständige Individuen anerkannt werden wollen. Kein Wunder, dass da mal das ein oder andere Hirn zu Kochen beginnt. Solange ihr im Hinterkopf behaltet, dass jeder von uns einzigartig ist, so wie er ist, und ihr es nicht übertreibt, ist Klassendenken völlig in Ordnung.
Autorin / Autor: stricksogge - Stand: 23. April 2008