Studie der Frankfurt University of Applied Sciences zur Wahrnehmung von Frauen und Männern in Führungspositionen
Was genau führt dazu, dass eine Führungskraft durch ihre Mitarbeiter(innen), Kolleg(inn)en und Vorgesetzte akzeptiert wird? Gibt es hierbei geschlechtsspezifische Unterschiede? Diesen Fragen sind Wissenschaftlerinnen der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) nachgegangen. Anlass für ihre Untersuchung war, dass trotz eingeführter Frauenquote und anderen Maßnahmen der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Deutschland nicht wesentlich gestiegen ist. Caprice Oona Weissenrieder, Dipl.-Bw. (FH), Prof. Dr. Regine Graml und Prof. Dr. Yvonne Ziegler untersuchten deshalb, inwiefern die Akzeptanz für die Karriere von (Nachwuchs‐)Führungskräften eine Rolle spielt, ob sie aufgrund mangelnder Akzeptanz mit Barrieren in ihren Unternehmen konfrontiert werden und ob es hier insbesondere zwischen den Geschlechtern Unterschiede gibt. Für ihre Studie „Akzeptanz von Führungskräften – Analyse wahrgenommener Verhaltensweisen von Frauen und Männern in Führungspositionen“ befragten sie 1.750 Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
„Erschreckt hat mich, dass rund 16 Prozent der Top-Führungskräfte auf die Frage, ob die oberste Führungsebene in ihrem Unternehmen das Thema Gleichberechtigung aktiv voran treibt, mit ,weiß ich nicht‘ geantwortet haben. Denn das lässt vermuten, dass in diesen Unternehmen Gleichberechtigung kaum ein Thema ist“, betont Caprice Oona Weissenrieder, die die Studie federführend verantwortete. „Frauen wählen auf diese Frage deutlich häufiger die Antwort ,nein‘ – also wird nach deren Wahrnehmung immer noch nicht genug getan. Auch die Transparenz der Stellenbesetzung bewerten Frauen schlechter als ihre Kollegen, was auf hinderliche Strukturen für das Fortkommen von Frauen hinweist.“
„Interessant war für mich bei der Auswertung der Fragebögen, dass sich die Wahrnehmung zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen den unterschiedlichen Führungsebenen teilweise erheblich unterscheidet“, so Graml. So geben beispielsweise Frauen im unteren und mittleren Management häufiger an, in einem Meeting unterbrochen zu werden als Männer aus diesem Bereich. Frauen im oberen Management hingegen werden weniger oft unterbrochen als im unteren und mittleren Management.
*Frauen - und Männerkarrieren*
Männer und Frauen schätzen ihre Karriereperspektiven unterschiedlich ein: Rund 60 Prozent der Managerinnen sind der Ansicht, dass Männer nach wie vor leichter Karriere machen können als Frauen. Von ihren männlichen Kollegen bestätigen dies nur rund 27 Prozent. Männer sehen hier eher Gleichberechtigung: Rund 65 Prozent sagen, dass Männer und Frauen in ihrem Unternehmen gleich gut Karriere machen können; bei den Frauen sind es nur um die 39 Prozent. „Interessanterweise ändert sich die Ansicht, dass Männer leichter Karriere machen können, unter den Frauen im Top-Management: Von ihnen geht nur noch ein Viertel davon aus, dass ihre männlichen Kollegen es leichter haben. „Bei Frauen, die es bis nach ganz oben geschafft haben, verändert sich also die Wahrnehmung auf den Einfluss, welche das Geschlecht auf die Karrierechancen hat, hin zu einer Gleichberechtigung“, so Weissenrieder.
*Die Rolle der Präsenzkultur*
An der Akzeptanz gegenüber familienbezogenen Verpflichtungen scheint es nach den Umfrageergebnissen nur bedingt zu liegen, dass so wenige Frauen Führungspositionen innehaben: Die Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass Führung auch mit Familie geht. Mehr als die Hälfte der befragten Manager(innen) bestätigt, dass es in ihren Unternehmen akzeptiert wird, wenn Aufgaben, Meetings oder Termine aufgrund familiärer Verpflichtungen verschoben werden. Familienbezogene Angebote (zum Beispiel Elternzeit) werden dagegen noch eher zurückhaltend beurteilt und in Anspruch genommen. In der Wahrnehmung zwischen Männern und Frauen im unteren und mittleren Management gibt es aber deutliche Unterschiede, wodurch Akzeptanz einer Führungskraft in den Unternehmen geschaffen wird: Frauen gehen wesentlich häufiger davon aus, dass Präsenz am Arbeitsplatz wichtig für die Akzeptanz der Führungskraft ist.
*Was bedeutet Akzeptanz?*
Welche Indikatoren Akzeptanz einer Führungskraft signalisieren, unterscheidet sich je nach Hierarchieebene. Top-Manager(inne)n nennen am häufigsten Aussagen wie „meine strategische Ausrichtung transparent machen und meinen Mitarbeiter(inne)n kommunizieren“, „mit meinen Mitarbeiter(innen) auf Augenhöhe kommunizieren“ und „Anerkennung (z.B. positives Feedback etc.) zeigen“. Führungskräfte aus dem unteren und mittleren Management hingegen gaben am häufigsten „seine/ihre Kommunikation mit mir auf Augenhöhe“, „die Freiräume, die sie/er mir für meine Arbeit zugesteht“ und „seine/ihre Anerkennung (z.B. positives Feedback etc.)“ an. Interessant ist hier der Geschlechtervergleich bei den Führungskräften aus dem unteren und mittleren Management: Frauen ist es deutlich wichtiger, relevante Informationen bezogen auf das berufliche Fortkommen zu erhalten. „Dies lässt auf nach wie vor bestehende informelle Netzwerke schließen, in denen Frauen nicht vertreten sind“, so Ziegler.
*Empfehlung der Studienautorinnen: Kommunikation*
Nur 10 Prozent der teilnehmenden Führungskräfte waren weiblich. Im Vergleich zu den männlichen Probanden sind sie viel häufiger alleinstehend und haben meist keine Kinder. Für die Wissenschaftlerinnen bestätigt die Studie somit die gängige Verteilung. Aus der Studie ließen sich folgende Empfehlungen ableiten: Sowohl zwischen den Führungsebenen als auch zwischen den Geschlechtern gibt es eine sichtbare Diskrepanz in der Wahrnehmung der Akzeptanzindikatoren; das Thema Kommunikation tritt somit sehr deutlich in den Vordergrund. Führungskräften wird deshalb empfohlen, sich ihre Bekundungen unter diesen Aspekten bewusst zu machen und diese zu reflektieren. Unternehmen sollten ihre interne Kommunikation ebenfalls hinsichtlich der unterschiedlichen Wahrnehmungen anpassen und Kongruenz aufzeigen.
Weissenrieder betreibt im Bereich Frauen in Führungspositionen eigenständige Forschung sowie eine kooperative Promotion, die sie derzeit an der Frankfurt UAS und der Napier University in Edinburgh absolviert. Im Hessischen Hochschulgesetz ist ab 01.01.2016 vorgesehen, dass Hochschulen für Angewandte Wissenschaften das eigenständige Promotionsrecht für forschungsstarke Bereiche verliehen wird.
Die Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit der internationalen Personalberatung Odgers & Berndtson durchgeführt. Mittels einer standardisierten Online-Befragung wurde dazu das Executive Panel von Odgers & Berndtson befragt. Rund 1.750 Personen haben an der Befragung teilgenommen; für die geschlechtsspezifische Auswertung konnten nach Bereinigung der Daten 1.484 Fragebögen verwendet werden.
Autorin / Autor: Pressemitteilung/ Redaktion - Stand: 10. Februar 2016