Ein schockierendes Ergebnis, aber auch Hoffnung
Das grausame Fazit einer Langzeitstudie über unangepasstes Denken: Von 1.500 getesteten Personen erreichen 98 Prozent der 0-3 Jährigen das Level genial. Nach der Schule sind es nur noch 2 Prozent. (Anmerkung: dieselben Kinder wurden noch mit 8-10 Jahren und 13-15 getestet, sowie 200.000 Erwachsene.) Auf diese Aussage stützt sich der neue Film des Dokumentarfilmers Erwin Wagenhofer "Alphabet", der seit
31. Oktober 2013 in deutschen Kinos läuft.
Das Gute an dem Ergebnis: Wir alle haben das Genie-Potenzial in uns. Und: die Möglichkeit, es auszuschöpfen.
*Unser Bildungssystem ist überholt*
Eine Reakton, die längst fällig ist: Das Schulsystem endlich den Anforderungen der heutigen Zeit und den Bedürfnissen der neuen Generation anzupassen. Schule ist essentiell, das ist keine Frage, und oft hören wir: Deutschland und seine Jugend beklagen sich hier auf sehr hohem Niveau, wie Europa sowieso. Aber das System ist eine Katastrophe, und nur weil es anderswo vermeintlich schlimmer ist, darf die Verallgemeinerung keine Ausrede sein für versteiften, kontraproduktiven Unterricht. Und das ist keine Schwarzmalerei, sondern ein Fakt, und der wird durch keine PISA-Studie bestätigt, sondern aufgezeigt von arbeitslosen jungen Talenten, freizeitlosen Musterschülern und CEO's of the Future, die meinen, gegnerische Konzerne und schwangere Kolleginnen seien der Feind.
*Doch plötzlich: eine gelungene Reaktion*
Woher die Welt stammt, die ich hier beschreibe? Wir betreten sie, wann immer wir Richtung Zukunft blicken, und der Doku-Spezialist Erwin Wagenhofer hat einen Film gedreht, schlicht mit „Alphabet“ betitelt, der trotz seines Minimalismus schon vor der Deutschland-Premiere am 22.10.13 kontroverse Diskussionen zu der Gegenwarts-Debatte auslöste.
In den Kinos ist dieser seit dem 30.10., und mein Beitrag zur Debatte ist folgender Aufruf: Statt McBeth zu lesen und verstaubte Filme zu sehen, an dem unser Blick nicht haften bleibt und erst Recht nicht unsere Gedanken, sollte man in den Schulen jedem, also Pädagogen und auch Schülern diesen Film zeigen.
Meinetwegen in der berüchtigten lauen Woche vor den Ferien, in der alle die Simspons schauen, wenn es kein "wichtiges" Unterrichtsmaterial mehr gibt.
*Der Film macht vieles richtig, was davor bei anderen Versuchen störte*
Erstaunlich auch an dem letzten Teil einer Trilogie (davor "We feed the world" ; "Let's make money"): die Protagonisten, die Wagenhofer für sein Herzensprojekt gewählt hat, mitunter unterschiedlich Betroffene oder bisher ungehörte, ignorierte Pioniere der Idee einer neuen Schulbildung, sprechen für sich - Wagenhofer urteilt nicht, er kritisiert nicht und beschuldigt nicht.
Er sagt uns nur durch seine Aufnahmen ganz ohne all die Übertreibung: so ist es. Und so kann es sein, wenn wir uns auf das besinnen, was wir irgendwann mal verlernt haben: Kreativität.
Mein Appell an euch: bildet euch ein Urteil, und versucht euch dabei auf den Film einzulassen. So tragisch-komisch, aber nie albern war selten eine Dokumentation über dieses heikle Thema.
Denn es gibt etwas, was wir alle vergessen zu scheinen: Kinder, Menschen allgemein, lernen vor allem, wenn sie dazu bereit sind.
*Was ich verspreche*
"Der Film zeigt, was wir alle fühlen und wissen, aber nicht ausprechen können."
Und deswegen auch eine der wenigen Produktionen im breiten Kino, die mich weder durch Liebeskitsch noch durch Tod zum Weinen brachten, sondern durch die scheckliche Erkenntnis, dass ich die meisten Probleme, die angesprochen werden, am eigenen Leib erfahren habe, und trotz meines sehr guten Zeugnisses folgendes Gefühl habe: Gelernt, das habe ich in den Pausen. So wie Pablo Pineda Ferrer, der erste Europäer mit Down-Syndrom, der einen Universitätsabschluss hat, Psychologie studiert und sagt: in der Uni werde ich müde. Und als ich laut lernte, weil ich das besser kann, fragte meine Mutter: "Was ist das für ein Quatsch, den du da liest?!"
Es darf keine Utopie mehr sein (und es ist möglich!), dass Menschen in dem Tempo das lernen, was sie in ihrem persönlichen Lebensmodell mit ihren Fähigkeiten weiterbringt. Und im Gegensatz zu der bisherigen Schulaussage, "du kannst etwas nicht oder genügst nicht", wenn du dem Rahmenplan entsprechend nicht die "einzig mögliche Antwort" ablieferst - dem sollte man sich widersetzen. Denn wenn ein Mensch sein etwas anderes Talent entdeckt, so kommt der Wissensdurst und die Leidenschaft für das Lernen von ganz alleine. Versprochen.
Autorin / Autor: Genna - Stand: 6. November 2013