"Paul ohne Jacob" von der New Yorker Autorin Paula Fox belichtet nicht gerade zaghaft, aber ziemlich eindringlich, aus der Perspektive eines gesunden Kindes, was es heißt, mit einem behinderten Bruder zusammenzuleben.
Paul fühlt sich verlassen und vernachlässigt, zweitrangig und einsam, er fühlt sich von seiner Familie isoliert. Paul fühlt Scham und Ekel. Er fühlt Wut und Agressionen. Er fühlt sich nicht verstanden und hintergangen. Seine Eltern sind für ihn zu "Feinden" geworden. Seitdem vor fast sieben Jahren sein kleiner Bruder mit der Erbkrankheit Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt, auf die Welt kam, fühlt Paul all diese negativen Gefühle. Paul ekelt sich vor dem Anderssein seines Bruders. Wenn er zum Beispiel beim Essen eine riesige Sauerei veranstaltet oder "mit seinen schmierigen Fingern nach ihm grabscht" wünscht sich Paul nichts sehnlicher, als dass sich sein "komischer" Bruder in Luft auflöst. Seine Eltern bringen Paul wenig Verständnis für sein abgewandtes Verhalten entgegen. Sie bezeichen ihn sogar als "boshaft". Also versucht Paul sich in eine ganz eigene Welt ohne Jacob zu stürzen. Paul ist froh um jede Minute, in der er nicht an Jacob denken muss. Sein Großvater, so kommt es Paul vor, scheint die einzige Peron zu sein, die noch zu Paul hält. Er versucht, ihm die Krankheit seines Bruders nahe zu bringen. Doch auch er wird älter... so wächst Pauls Hass auf seinen Bruder von Tag zu Tag. Bis etwas passiert, was Paul seine überaus negative Sicht auf seinen Bruder überdenken lässt...
Die Krankheit, an der Pauls Bruder leidet, ist eine Erbkrankheit. Sie wird auch Trisomie 21 genannt, da das 21. Chromosom gleich dreimal vorliegt. Normalweise liegt jedes Chromosom nur paarweise, also nur zweimal vor. Dieser Unterschied im Erbgut hat große Auswirkungen auf die äußere Erscheinung, aber auch auf die geistige Entwicklung des Menschen. So sind ihre Augen zu Schlitzen verengt, weswegen früher der rassistische Ausdruck "Mongoloid" für Menschen mit dieser Krankheit gebraucht wurde. Sie haben zudem verkürzte Fingerglieder und sind meist etwas dicker. In ihrer geistigen Entwicklung werden sie immer etwas zurück sein. Menschen, die am Down-Syndrom leiden, gelten als äußerst freundlich, liebenswürdig und lebensfroh.
*Meine Meinung:*
Das Buch "Paul ohne Jacob" hat mich dazu gebracht auch über die andere, sprich Pauls Seite, als gesunder Bruder nachzudenken. Man neigt dazu, behinderten Menschen besonders viel Aufmerksamkeit und Liebenswürdigkeit entgegen zu bringen, was auch sicherlich nicht falsch ist, aber besonders als Eltern von einem gesunden und einen kranken Kind sollte man in all der Fürsorge für das kranke Kind, das gesunde nicht völlig außer Acht lassen. Denn darunter leidet das gesunde Kind enorm, wie man in Paula Fox Geschichte unschwer erkennen kann. Sie beschreibt auch, dass Jacob aufgrund seiner Behinderung eine Menge Dinge verziehen werden, was für mich ebenfalls eine schwierige Frage darstellt. Wieviel des Verhaltens des kranken Kindes kann man auf seine Behinderung zurückführen und für was ist es einfach eigenständig verantwortlich?
"Paul ohne Jacob" ist für mich ein sehr lesenwertes Buch, da es den Konflikt der Eltern darstellt, wie man zwei Kinder, denen vom Leben zwei völlig unterschiedliche Hintergründe gegeben worden ist, gleich, also fair behandeln kann. Des Weiteren fand ich das Buch sehr interessant, da es wirklich für die Position des gesunden Geschwisterkindes sensibilisiert. Ich kann sogar soweit gehen und sagen, sollte ich selbst einmal in die Sitaution kommen, gesunde und kranke Kinder zu haben, dass die Geschichte dieses Buches mir im Hinterkopf bleiben wird und ich mehr darüber nachdenken werde, dass die gesunden Kinder, nicht genauso, aber für sich, auf ihre Weise, auch die Aufmerksamkeit und die Zuwendung der Eltern brauchen.
Des Weiteren fand ich das Buch sehr informativ, da man das Innenleben Pauls, des gesunden Bruders genau dargestellt bekommt. Wodurch man auch eine ziemlich genaue Einsicht in das Leben mit einem behinderten Kind bekommt. Man lernt außerdem eine Menge über die Krankheit Down-Syndrom, an der immerhin im Jahr 1500 Kinder in Deutschland erkranken (Wikipedia). Wenn man nachdenkt, kennt eigentlich jeder einen Menschen mit dem Down-Syndrom. Also Leute wollt ihr was lernen und die Diinge aus einer anderen Perspektive betrachten, dann lest Paula Fox :)
*Erschienen bei: Boje Verlag*
Autorin / Autor: frances - Stand: 28. März 2011