Socken zum Weltfrauentag
Was alles "anlässlich des Frauentags" zur Debatte steht oder angepriesen wird. Ein Kommentar zum Ausverkauf eines politischen Tages
Ehren- und Feiertage, die gesellschaftliche Gruppen, besondere Menschen, Ereignisse oder Werte in den Mittelpunkt rücken, laden zur Diskussion ein und fordern auf, sich mit Missständen und möglichen Lösungen auseinanderzusetzen – so auch der internationale Frauentag. Im Rahmen dieses Welttags, der am 19. März 1911 als Initiative sozialistischer Organisationen ins Leben gerufen und 1975 von den Vereinten Nationen (UN) als fester Termin am 8. März etabliert wurde, ging es zunächst um sehr grundlegende Themen wie das Wahlrecht für Frauen. In den letzten Jahren gerieten immer wieder andere Themen in den Vordergrund wie Chancengleichheit im Berufsleben und in der Bildung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Kampf gegen Gewalt an Frauen usw.
Natürlich gibt es auch Kritik am Frauentag, denn eigentlich sollte ein solcher Tag gar nicht nötig sein und verleitet möglicherweise dazu, alle Probleme an einem Tag abzuhandeln und an den 364 anderen zu ignorieren.
*Kaffee mit Frauenpower*
Wirklich haarsträubend wird es auf jeden Fall, wenn man beobachtet, was alles unter dem Label „anlässlich des Weltfrauentags“ kommuniziert wird. Es wird für Mentoringprogramme geworben oder für Event-Geschenke, um für „abwechslungsreiche Überraschungen zum Weltfrauentag“ zu sorgen (etwa in Form von „entspannenden Massagen“). Es folgen nicht enden wollende Spendenaufrufe von Organisationen, die sich schon immer, anlässlich des Frauentags aber ganz besonders für die Rechte von Mädchen und Frauen stark machen. Es werden (anlässlich…) Buchtipps von tollen Autorinnen vorgestellt und mehr Songs von weiblichen Künstlerinnen im Radio gespielt, es werden Rosen verschenkt als wäre es der Valentinstag und sogar Kaffee vom Discounter hat neuerdings „Frauenpower“, weil er eine Fairtrade-Kooperative unterstützt, die besonders Frauen fördert.
Wir erfahren anlässlich des Weltfrauentags außerdem viel Unerfreuliches aus dem Bereich Gesundheit, beispielsweise, dass „Gesundheitsrisiken von Alkoholkonsum für Frauen gravierender“ sind (BZgA) oder Frauen mit HIV zu oft übersehen werden (DAIG). In Dithmarschen soll aus gegebenem Anlass eine Kette aus 325 pinken BHs darin erinnern, dass jede achte Frau von Brustkrebs betroffen ist. Das ist doch mal echtes Empowerment.
*Statement-Pieces an die Frau bringen*
Natürlich nehmen auch Unternehmen den Frauentag dankbar auf. Eine Modemarke macht (anlässlich…) Female Power zum zentralen Thema ihrer neuen Kampagne. Schließlich sind Frauen so vielen Ungleichheiten ausgesetzt – sie dürfen nicht mal anziehen, was sie wollen. Mit im Gepäck: eine Influencerin, ein Statement Hoodie und sogar eine Petition: der Frauentag soll Feiertag werden. Statements als Produkte sind überhaupt recht angesagt, Frauentag ist irgendwie nämlich auch Lifestyle. So präsentiert eine Frauenzeitschrift uns anlässlich ihr wisst schon welchen Tages die besten Statement-Pieces, etwa ein Armband mit "Power-Schriftzug" oder ein Premium Notizbuch in rosa.
*Ein Danke an die Supergirls*
Der Reigen geht lustig weiter: Ein Fernsehsender präsentiert auf seiner Website zum Frauentag "Last-Minute-Geschenke für die liebste Frau in Ihrem Leben" ("Schmuck kommt als Geschenk immer gut an", "Socken kann Frau nicht genug haben"). Den passenden Rabattgutschein gibt es gleich dazu. Apropos Rabatte. Vom Schuhladen über das Dessous-Geschäft bis zur Parfümerie - der Einzelhandel winkt anlässlich des Frauentags mit Coupons, Wahnsinnsschnäppchen und Prozenten, weil ja nichts näher liegt, wo Frauen doch so gerne shoppen. Rabatte statt gleicher Bezahlung! Ein Blumenlieferdienst findet, dass Frauen Superheldinnen sind und der internationale Frauentag ein toller Anlass ist, mal danke zu sagen an all die "Powerfrauen, Supergirls und Wonderwomen". Und wie könnte man sich bei Heldinnen besser bedanken als mit einem frischen Blumenstrauß? Gepflückt und gebunden von flinken und unterbezahlten Frauenhänden ("Auch die Floristik-Branche ist fest in Frauenhand")?
*Bringt Schwung in die Partnersuche*
Das ist nur noch zu toppen von einer Datingseite, die überzeugt ist: „Der Weltfrauentag bringt Schwung in die Partnersuche!“ Am „Ehrentag der Frau“ hätten männliche Singles „gute Karten, die Herzdame im Online-Dating kennenzulernen.“ Denn an ihrem Ehrentag seien diese besonders empfänglich für ernstgemeinte Liebessignale.
Wie bitte was? Die merkwürdigen Blüten, die die Vermarktung dieses eigentlich doch sehr politischen Tages hervorbringt, können einen tatsächlich an der Sinnhaftigkeit solcher Tage zweifeln lassen. Denn offenbar gibt es noch sehr, sehr viel zu tun und dafür reicht ein Tag ganz offensichtlich nicht aus.
Autorin / Autor: Sabine - Stand: 8. März 2021