Umsonst? Dann lieber nicht!
Studie: Warum wir einen angemessenen Preis zahlen wollen
„Geiz ist geil“, hieß es einst bei einem großen Elektrofachmarkt. Doch wer findet Geiz schon wirklich erstrebenswert? Die CD der Lieblingsband für nur ein paar Cent, die Marken-Jeans für einen Euro – ein Traum! Doch selbst SchnäppchenjägerInnen haben bei solchen Angeboten Hemmungen, zuzuschlagen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie eines internationalen Forscherteams. Pay-What-You-Want (Zahle-was-du-willst) ist ein Preismodell, bei dem die KäuferInnen selbst entscheiden können, wie viel ihnen das Produkt wert ist. Einige Experimente haben gezeigt, dass nur die wenigsten Personen die Stunde der Gunst nutzen, um wirklich Geld zu sparen. Bei Restaurantbesuchen, CD-Käufen oder an der Kinokasse zahlten die meisten Testpersonen, obwohl sie umsonst hätten davon kommen können, nicht viel weniger als den tatsächlichen Preis. Das Forscherteam um Ayelet Gneezy wollte herausfinden, wie es tatsächlich um unsere Zahlungsmoral bestellt ist.
In einem Freizeitpark ließ das Team die BesucherInnen während einer Achterbahnfahrt fotografieren. Die entstandenen Bilder boten sie den Besuchern hinterher zum Kauf an, allerdings konnten sie den Preis selbst bestimmen. Einem Teil der Testpersonen sagte das Forscherteam, dass die Hälfte des Geldes an eine Stiftung für schwer kranke Kinder ginge. Die übrigen Testpersonen bekamen diesen Hinweis nicht.
Das Ergebnis: Diejenigen, die wussten, dass sie mit dem Geld etwas Gutes tun, zahlten rund fünf Mal mehr als diejenigen, die nur für das Bild und nicht für den guten Zweck Geld ausgaben. Überraschender war allerdings, dass sehr viel weniger Menschen das Foto überhaupt kauften, wenn es mit einer Spende verbunden war. Offenbar erschien den Testpersonen ein selbst gewählter geringer Preis für das wertvollere Angebot – Foto plus Spende – so unfair, dass sie lieber vollständig auf den Kauf verzichteten. Sie wollten nicht riskieren, zu wenig zu spenden und damit als Geizkragen abgestempelt zu werden.
In einem zweiten Versuch konnten die AusflüglerInnen einer Bootstour ein Foto von sich erwerben. Hier erzählte das Forscherteam allen Testpersonen, dass dieses normalerweise 15 US-Dollar koste. Einige konnten das Bild nun für 5 US-Dollar erwerben, während anderen AusflüglerInnen frei gestellt war, wie viel sie zahlen. Und siehe da: Rund 64 Prozent kauften das Foto, wenn es nur 5 US-Dollar kostete. Konnten sie selbst den Preis bestimmen, verzichteten allerdings sehr viel mehr Personen auf den Kauf. Das heißt, wenn die Anbieter selbst den Preis senken, haben die Kunden kein Problem damit, zuzuschlagen. Dies gilt für sie als faires Angebot. Können sie den Preis selbst bestimmen, kommen die KäuferInnen allerdings in Bedrängnis. Sie wollen nicht als geizig dastehen. "Besonders ausgeprägt ist der Effekt, wenn die potentiellen Kunden das Gefühl haben, ein Angebot ist relativ wertvoll – sie aber nicht bereit sind, viel Geld auszugeben. In diesem Fall verzichten sie eher komplett auf den Kauf, als einen ihnen unfair erscheinenden geringen Preis dafür zu zahlen", sagt Gerhard Riener von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Wer etwas wirklich haben möchte, gibt in der Regel gerne Geld dafür aus. Ungern verlieren wir hingegen unser positives Selbstbild. Deshalb zahlen viele Menschen auch für Produkte, die sie umsonst haben könnten – oder sie verzichten lieber ganz.
Die Studie "Pay-what-you-want, identity, and self-signaling in markets" ist im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Science (PNAS) veröffentlicht (doi: 10.1073/pnas.1120893109).
Autorin / Autor: Redaktion; ~ - Stand: 26. April 2012