Ordnung durch Chaos
Verwirrende Texte lassen das Gehirn Strukturen besser erkennen
Lassen euch eure LehrerInnen auch manchmal absurde Texte lesen, deren Sinn sich euch einfach nicht erschließen will? Und fragt ihr euch dann auch, warum man so verworrenen Kram überhaupt lesen soll, der plötzlich endet, unerwartet weitergeht und zwischendrin einfach nur verrückt ist? Vielleicht solltet ihr euren LehrerInnen für solche Erfahrungen dankbar sein, denn die Konfrontation mit unlogischen, absurden oder surrealen Gedanken kann offenbar zu einer besseren Lernleistung führen.
Das haben zumindest die Wissenschaftler Travis Proulx von der University of California in Santa Barbara und Steven Heine von der University of British Columbia in Vancouver in einem Versuch mit StudentInnen zeigen können.
Verborgene Strukturen aufspüren
Die Psychologen ließen die Studenten die Kafka-Kurzgeschichte "Der Landarzt" lesen, die durch eine besondere Absurdität und das Fehlen eines roten Fadens besticht. Eine Kontrollgruppe bekam eine "sinnvolle" Geschichte zu lesen.
Anschließend sollten beide Gruppen in Buchstabenreihen eine zwar erfundene, aber doch in sich logische Grammatik erkennen. Die Kafka-Leser zeigten sich im Erkennen der fiktiven Grammatik deutlich erfolgreicher als die Kontrollgruppe.
*Bedürfnis nach Ordnung*
Auch die Testpersonen, die in einem anderen Versuch ein "absurdes" Erlebnis durchlaufen mussten, zeigten sich geschickter im Erkennen einer verborgenen Struktur. Der Forscher Proulx erklärt das damit, dass der Mensch sich unbehaglich fühlt, wenn seine Erwartungen derart über den Haufen geworfen werden. Er hat dann das dringende Bedürfnis, eine Struktur zu finden, die ihm Halt gibt. Darin ist er dann in dieser Situation erfolgreicher als jemand, dessen Vorstellung nicht so durcheinander gerüttelt wurde.
*Keine sinnvolle Vorbereitung für Tests*
Die Forscher betonten allerdings, dass das nur funktioniere, wenn man auf das absurde Erlebnis nicht vorbeireitet sei. Wer nichts anderes erwarte als eine bizarre Geschichte, reagiere auch nicht auf die im Versuch beobachtete Weise.
Es wird euch also nichts nützen, wenn ihr euch vor einem Vokabeltest hoffnungsfroh auf Kafka stürzt. Auch die Studienautoren halten eine absurde Lektüre als Vorbereitung auf einen Test nicht für sinnvoll. Wohl aber sollte man nicht vernachlässigen, dass Absurdes und Ungewöhnliches unserem Gehirn auf die Sprünge helfen kann.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal "Psychological Science" veröffentlicht.
Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 22. September 2009