Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Es war Samstagabend. Der Wind pfiff um das Haus und der Regen klatschte gegen die Fensterscheibe in meinem neuen Zimmer. Wir waren umgezogen. In eine alte, ein bisschen verfallene Villa an einem Waldrand. Erschöpft von dem langen Tag legte ich mich auf mein Bett und schloss die Augen. Unten hörte ich die schnellen Schritte meiner Eltern auf dem knarrenden Dielenboden. Sie wollten heute Abend essen gehen. Ich hatte mich geschickt ausgeklinkt, indem ich meinte, mir wäre nicht so gut. Die Haustür fiel ins Schloss. Endlich sturmfreie Bude! Ich schaute an die Decke, als plötzlich das Licht anfing zu flackern und erlosch. Es war stockduster in meinem Zimmer. Erschrocken setzte ich mich auf. Was war denn das? Wir wohnten schon eine chaotische Woche hier, aber einen Stromausfall hatten wir noch nicht. Ich tastete mich durch das dunkle Zimmer zu meiner Schreibtischschublade. Hier mussten doch irgendwo noch die Streichhölzer sein. Doch es war wie verhext! Ich konnte keine vorfinden. Auf der Suche nach ihnen machte ich mich auf den Weg nach unten in die Küche. Auf dem langen Korridor vom Speisesaal zur Küche stockte ich. Was war denn das? Eine alte Tür vielleicht aus dem 15. Jahrhundert erschien zwischen der Tür von der Abstellkammer und der von dem Speisesaal. Sie war nur angelehnt. Es sah so aus, als ob sie aus Nebel bestünde, ein feiner Nebel bis zum zerreißen gespannt und trotzdem für den Blick undurchlässig. Ich war wie hypnotisiert, sodass ich einfach meinen Arm ausstreckte und auf sie zuging. Immer näher und näher kam ich ihr. Kurz vor der Tür tauchte ich in einen leicht feuchten Nebel ein. Er ließ mir die Haare zu Berge stehen, konnte mich aber nicht davon abhalten weiterzugehen. Jetzt sah ich die geheimnisvolle Tür direkt vor mir. Mir war ganz schwummerig vor Augen und ohne nachzudenken, was ich tat, drückte ich die Klinke herunter. Sie war kalt und ließ mein Blut in den Adern gefrieren. Dann hörte ich nur noch ein Rauschen… Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in einem mittelalterlichen Raum. Es war in unserer Villa, allerdings vor 500 Jahren. Diesen Raum kannte ich gar nicht. Er war voll gestopft mit Büchern, Gemälden und… Moment. Ich hörte ein leises Schluchzen, ein Stöhnen und ein Wispern. Aber es war kein Wispern, das von einem Mensch ausging, nein, es waren Bücher! Die Bücher in den alten verstaubten Regalen flüsterten mir etwas zu. Es waren so viele, dass ich dem Stimmengewirr nicht mehr folgen konnte. Es war, als wollten sie mir ihre eigenen Geschichten erzählen. Aber anstatt dem Gewirr von Stimmen nachzugehen, ignorierte ich sie. Aus einem mir unbekannten Grund wusste ich, dass ich wegen einer anderen Angelegenheit hier war. Entschlossen ging ich tiefer in den Raum hinein. Das Flüstern wurde leiser, dafür das Schluchzen stärker. Und dann sah ich es. Zum ersten Mal in meinem Leben erschreckte ich mich dermaßen. Konnte das wahr sein? Etwa fünf Meter vor mir stand meine Doppelgängerin! Wenn man mal davon absieht, dass sie viel altmodischere Sachen anhatte, war sie wie eine Kopie von mir. Doch mein zweites Ich war nicht mal halb so erschrocken wie ich. Sie lächelte und sagte: „Hallo, ich bin Luna Pikassa. Doch dich hab ich noch nie hier gesehen. Aber es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Luna.“ Hallo? Hatte ich mich in irgendeiner Weise vorgestellt? Die Tränen, die ihre Wange hinunterliefen, wischte sie schnell weg. Vielleicht wollte sie nicht, dass ich merkte, wie traurig sie war und weil ich nicht unhöflich sein wollte, übersah ich das auch. „ Hi. Ich bin Luna…“ Doch sie unterbrach mich: „Das weiß ich. Aber was ist das für ein Wort, dieses „Hi“? Eure Sprache ist uns immer noch ein Rätsel, obwohl wir viel über die Zukunft forschen. Das wird sich alles noch ergeben. Du fragst dich bestimmt, warum du hier bist, oder?“ Wie war das? Ich war im Mittelalter? Forschungen über die Zukunft? Warum sah das Mädchen, also ich meinte Luna so aus wie ich? Was ich nicht wusste war, dass sie meine Gedanken las. „Du hast aber viele Fragen. Erst einmal, ja, du bist im Mittelalter oder wie ihr das in der Zukunft nennt. Zweitens, wir forschen über eure Zukunft. Nein, über unsere. Das heißt deine und meine. Ich bin Luna und ich bin du. Das ist kompliziert, ich weiß.“ Sie seufzte. Das entsprach völlig der Wahrheit, fand ich und so richtig folgen konnte ich ihr auch nicht: „Wenn es dir nichts ausmachen würde, würdest du das bitte erklären?“ Luna lächelte mich verständnisvoll an: „Ja natürlich. Ich bin du, das heißt, dass du gerade mit dir in der Vergangenheit redest. Du hast früher schon mal gelebt. Hast du dich nie gefragt: woher komme ich? Du wirst von der alten Vergangenheit nach deinem Tod irgendwann wieder in die Gegenwart gebracht. Es ist wie ein Kreislauf: Geboren, Leben, Tod und wieder von vorne.“ Ich nickte. Irgendwie hatte sie, nein, hatte ich Recht. Doch eine Frage lag mir noch auf dem Herzen: „Wie konnte ich heute Nacht zu dir kommen und wann sehen wir uns wieder?“ Das fragte ich, denn ich merkte, dass die Zeit meines Besuches bald abgelaufen war. Mein Freundin lächelte und meinte: „Es war dunkel, deine Familie weg und es brannte kein Licht. Wenn du mich/ dich wieder besuchen willst, achte darauf, dass es die gleichen Bedingungen sind. Dann erscheint die Tür der Vergangenheit. Oh, ich sehe, du musst jetzt leider gehen.“ Sie umarmte mich und ich merkte, dass ich eine neue Freundin gefunden hatte, vielleicht sogar eine Freundschaft, die über den Tod hinausreichte. Ein Wirbel entstand um mich herum und ich sah, wie ich mich von meiner Freundin entfernte. Als der Wirbel wieder verschwand, befand ich mich wieder auf dem Korridor. Die Tür der Vergangenheit war verschwunden, das Licht fing an zu flackern und ich hörte, wie der Schüssel im Schloss umgedreht wurde. Meine Eltern kamen zurück! Ich lief hoch in mein Zimmer, legte mich in mein Bett und schlief sofort ein. Bald würde ich meine Freundin wieder besuchen und ein neues Abenteuer wird beginnen!
Autorin / Autor: Lea, 12 Jahre - Stand: 14. Mai 2010