Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Es war Herbst geworden. Nach einem wunderschönen Sommer färbten sich die Blätter bunt und es wurde Herbst. Der heutige Tag war grau und veregnet. Ich war einer dieser Menschen, die sich im Herbst besannen und viele Dinge änderten, owohl ich Veränderungen hasste. Sie machten etwas anderes, fremdes aus mir und ich hatte es noch nie gemocht, mich von Dingen zu trennen, die mir wichtig erschienen. Noch eine Stunde bis zu der Geburtstagsfeier meiner besten Freundin Änn. Ich war zwei Monate älter als sie und obwohl ich ihre Partys mit der aufgelegten Höflichkeit und Nettigkeit noch nie gemocht hatte, sah ich mich, weil ich ja ihre beste Freundin war, gezwungen dort hin zu gehen. Für die Party wählte ich ein schwarzes Bustierkleid und schwarze Pumps, nahm mein Geschenk und ging. Auf eine Party, die doch so normal schien, es aber einen Gast geben sollte, der mich sprachlos machen wollte.
Der Wind umschlich mich leise und ich fröstelte. Ein mulmiges Gefühl durchlief meinen Körper und ich wusste Änns Feier sollte mir mächtig Ärger machen. Vor Ihrem Haus standen unzählige Menschen, dazwischen teure Autos. Sie waren riesig und ihre Besitzer machten mir Angst. Wahrscheinlich kamen sie vom College, ihre Eltern waren reich und Änn machte vielleicht mit dem Ein oder Anderen rum, um Eindruck zu machen. Sie empfing mich: "Schön, dass die Streberin auch mal hier her gefunden hat. Schau mal, all die schönen und reichen Männer, such dir einen aus und feier dein Leben, ja Schätzchen?" Sowas machte sie ständig, hetzte mir irgendwelche Spasten auf den Hals die ich natürlich bezaubernd finden sollte, dementsprechend fiel auch meine Antwort aus: "Ähm ja schön...also ich bleibe sowieso nicht lange, trotzdem Danke." Ich ging, obwohl mir Änn noch etwas Unverständliches hinterher rief. Nachdem ich schon von früheren Partys wusste, dass es viel zu laut und bunt war, ging ich in die fast menschenleere Küche, denn in einer Ecke stand ein Mädchen, so schön, dass es mich sprachlos machte. Sie stand da und schaute zwar in meine Richtung, aber es kam mir vor, als würde sie durch mich hindurch schauen. Dieser kalte, reglose Ausdruck in ihrem Gesicht ließ mich schaudern. Sicherlich hätte ich mit ihr reden können, aber da gab es etwas, was mich daran hinderte. Etwas, was mir sagte, es wäre besser, wenn ich sie nur ansehen würde. Ich meine, ich kannte sie nicht, wusste weder ihren Namen oder ihre Herkunft, wie konnte ich da einfach feuchtfröhlich anfangen mit ihr zu reden. Die Distanz, den Abstand, den sie zu allen anderen hielt, ja, die hielt ich ihr genau jetzt auch gegenüber. Es war sinnlos, ich hatte meine Chance verpasst, weil sie ging und plötzlich stand die ganze Welt still. Der Moment kam mir so unendlich vor und dann war sie weg. Einfach weg und würde auch nicht wieder kommen. Ich hatte meine Chance nicht genutzt. Hatte die förmlich "angelehnte Tür" nicht geöffnet. Ich ging. Wahrscheinlich machte mich Änns Party so fertig, dass ich anfing Gespenster zu sehen. Zu Hause angekommen, dauerte es noch eine Weile, bis ich einschlief, weil ich über sie nachdenken musste. Das unbekannte Mädchen von der Feier.
Das ist jetzt fünf Jahre her, seitdem ist so unendlich viel passiert. Ich habe meinen College-Abschluss gemacht und studiere jetzt Literaturwissenschaften. Änn ist Model geworden und man sieht sie häufig auf dem Cover der Vogue. Tja und Alica ist seit fünf Jahren verschwunden. Die Polizei geht davon aus, dass sie ermordet wurde. Ich mache mir irgendwie Vorwürfe, weil ich nicht mit ihr gesprochen habe, als es vielleicht nötig war. Aber vielleicht wusste sie, was an diesem Abend passieren würde. Wenn ich mehr darüber nachdenke, so bereue ich meine Distanz, die ich ihr entgegen gebracht habe. Gerade weil sie nicht den Schritt über die sozusagen "Türschwelle" gewagt hat, ja vielleicht habe ich deswegen nicht mehr gemacht, weil ich auf sie gewartet habe. Weder sie noch ich sind über die Türschwelle getreten, noch das wir die Tür geöffnet haben, anstatt sie nur angelehnt zu lassen. Genauso wie bei Aline Larine von Änn s damaliger Party. Ich hatte ihren Namen herausgefunden, mehr aber auch nicht und wiedergesehen habe ich sie auch nie wieder. Wenn ich mich an solche Dinge erinnere oder sie erzähle, dann wird mir klar, dass wir alle barfuß durch das Leben laufen. Ohne Schutz. Denn eins solltet ihr Euch merken: Wenn etwas nicht so ist, wie ihr es euch vorgestellt habt oder ihr eine Entscheidung bereut, die ihr getroffen habt, ja dann solltet ihr euch immer vor Augen halten, dass es genau diese Entscheidungen sind, die ein Leben prägen. Merkt euch das.
Autorin / Autor: Patricia, 13 Jahre - Stand: 25. Mai 2010