Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Es war Mitternacht.
Eine Zeit, in der die Magie ihren stärksten Höhepunkt erreicht.
Eine Zeit, in der die Tore der Welten für jeden geöffnet sind.
Eine Zeit, in der sich Geister unbemerkt unter Menschen mischen können, um Gutes oder Böses zu bringen.
Aber wer berücksichtigt, dass Menschen in die Welt der Geister gelangen?
Und was dann mit ihnen passiert?
Ich ging alleine durch den Wald, ich wusste meine Eltern würden so etwas nie dulden, aber ich bin eben ein klein wenig neugierig.
Es fühlte sich für mich magisch an, als ich barfuß durch den Wald ging. Die Blätter kitzelten leicht an den Füßen, der Wind wehte mir durch die offenen Haare und Musik spielte in meinen Ohren.
Ich ging tiefer in den Wald hinein, während Glühwürmchen mir den Weg erkenntlich machten.
Der Klang von Gelächter ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen, aber darauf achtete ich nicht. Denn vor mir stand eine große Eiche, der meine ganze Aufmerksamkeit galt.
In dem trüben Licht sah der Baum erschreckend kahl und unheimlich aus. Eine sanfte Stimme beruhigte mich und sang leise vor sich hin, während ich erwartungsvoll um den Baum herum ging. Mit den Händen betastete ich die harte, raue Rinde des Baumes und spürte wie sich eine angenehme Wärme von meinem Arm aus aufwärts in meinen ganzen Körper ausbreitete.
Als ich einmal um den Baum herum gegangen war, fiel mein Blick auf einen nahe stehenden Felsen. Der Fels war unter einer Blätterpracht leicht verborgen, aber nicht vollständig.
Nun war meine Neugierde vollends entfacht, ich wusste, ich konnte dieses Verlangen nur stillen, wenn ich ihm ganz und gar nachginge.
Mit erhobenem Haupt tastete ich mich Schritt für Schritt langsam vor, immer bedacht bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr, sofort auf den Hacken umzudrehen und so schnell wie möglich zu laufen.
Der Felsen war nicht einmal annähernd so groß wie ich gedacht hatte, aber dafür wunderschön.
Als ich versuchte ihn zu berühren war plötzlich hinter mir ein bedrohliches Fauchen zu hören, was mich sofort zurückschrecken ließ.
Ich drehte mich um und sah, wie fünf kleine Kinder lachend um die alte Eiche herum tänzelten.
Da ich mich völlig diesem Schauspiel hingab, bemerkte ich kaum, dass jemand neben mir versuchte mit mir zureden.
Erst als das kleine Mädchen unmittelbar vor mir stand, konnte ich meinen Blick losreißen. Sie sah zu mir herauf und wirkte sehr schüchtern.
Als ich ein leises „Hallo“ heraus bekam, hellte sich ihre Miene auf und sie grinste über beide Ohren. „Sei gegrüßt Clara. Mein Name ist Luna.“ Sie nahm mich bei der Hand.
„Woher weißt du, wie ich heiße?“, entfuhr es mir.
„Ich weiß alles“, antwortet sie geheimnisvoll.
Sie führte mich am Fels entlang, immer weiter fort.
„Wo gehen wir hin?“
„Ich bringe dich an einen Ort, der schöner ist als alles was du je gesehen hast.“ „Wo ist dieser Ort?“ „Du stellst aber merkwürdige Fragen.”
Mein Gefühl sagte mir, dass etwas hier nicht stimmte, dass ich zurück zu dieser Eiche musste.
„Ich will aber nicht mit, ich muss zurück.“ „Das geht nicht, Clara. Du kannst nie mehr zurück.“ „Das ist nicht wahr, du lügst.“ Ich entzog dem Mädchen meine Hand und rannte zurück zu der Eiche.
Ich rannte und rannte und erst als ich dort angekommen war, wo ich hinwollte, blieb ich stehen.
Die kleinen Kinder waren fort, aber alles andere war noch so wie zuvor, fast alles.
Ich blieb stehen, ein paar Schritte vor der Eiche und drehte mich um. Und fragte mich, ob sich meine Augen so täuschen konnten.
An dem Felsen prangte jetzt eine alte morsche Tür, sie war angelehnt und man konnte durch den Spalt nichts sehen außer einem tiefen Schwarz. Um die Tür herum wuchsen Efeuranken, was ihr etwas Traumhaftes verlieh.
Ich konnte nicht mehr klar denken. Mein Verstand setzte aus und ehe ich mich versah, stand ich unmittelbar vor der Tür, meine Hand schon an der rostigen Klinke.
Als ich die Tür weiter öffnen wollte, faste mich eine kleine Hand an meinen Arm. „Clara das kannst du nicht tun, nicht jetzt.“ Das kleine Mädchen weinte bitterlich. Ich wollte sie trösten, aber ich hatte den Verdacht, dass wenn ich die Tür jetzt aus dem Auge lassen würde, das sie dann verschwinden könnte.
„Clara, bitte, wenn du durch diese Tür gehst, wirst du qualvoll zu Grunde gehen.“ Ich schrak zusammen, was meinte sie damit?
Das kleine Mädchen sah mir ins Gesicht, verbittert und voller Wut.
„Kannst du dir nicht denken, was ich damit meine? Wenn du mich verlässt, verlässt du auch diese Welt und du kannst nie wieder zurückkehren.“ Ihre Stimme hörte sich ernst an und ich wollte die Klinke schon beinahe loslassen, als hinter der Tür eine Stimme nach mir rief.
„Clara, komm zu uns, es ist so schön hier, du brauchst keine Angst zu haben.“ Ich fasste aus diesen Worten neuen Mut und drückte die bereits angelehnte Tür weit auf.
Was ich jetzt sah, versetzte mich in einem zustand des völligen Staunens.
Dort wo ich vorher nur tiefste Schwärze gesehen hatte, erblickte ich eine grüne Wiese mit Blumen und Bäumen und die Sonne schien mir ins Gesicht. Eine Frau kam mir entgegen und strahlte voller Freude, in der Mitte der Wiese blieb sie stehen und sah mich fragend an. „Willst du nicht zu mir kommen?“ Ich wurde nervös und fragte mich bereits was mich erwarten würde.
Ich ging durch die geöffnete Tür geradewegs auf sie zu.
Ein lauter Knall ließ mich aufschrecken.
Ich schaute mich noch einmal nach hinten um, aber was ich entdeckte, ängstigte mich - die Tür war nicht mehr da.
Ich drehte mich wieder um und alles was ich mir eingebildet hatte zu sehen, war fort. Und anstelle der grünen Wiese war nur noch ein schwarzes klaffendes Loch…
Autorin / Autor: Anita, 15 Jahre - Stand: 10. Juni 2010