Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Die Druckerschwärze klebte wie Blut an meinen Fingern. Schwarz waren sie, kohlrabenschwarz, vom Herausreißen der Seiten aus der uralten Schreibmaschine, vom wütenden Zerknüllen und hastigen Glattstreichen, vom Lesen. Vom verzweifelten Berühren der Wörter, vom Darüberstreichen. Vom vergeblichen Versuch, ihnen Leben einzuhauchen. Sie waren längst zu Tode erstarrt, von dem Moment an, als ich sie gewaltsam, Buchstabe für Buchstabe, in die Seiten gezwungen hatte. Von Anfang an.
Ich hob meine Hände und drehte die Finger zu mir. Der winzige Lichtstrahl, der mein Zimmer weniger als spärlich erleuchtete, zeigte mir den Kontrast auf meiner Haut. Meine Haut war ungesund bleich, die Finger schwarz. Kohlrabenschwarz. Klobig, dachte ich, klobig und verschmutzt und befleckt und unansehnlich. Wie die Hände eines Arbeiters, eines Malers, der die Wände seiner Kunden in schwarz kleidete und dabei auf den Teppich tropfte; sie wirkten ungeschickt. Dabei waren sie ehemals so fähig, fügte ich hinzu, ganz leise, damit mein Selbstmitleid es auch ja nicht hörte.
Ein Hauch der Außenwelt stieß die Tür ein paar Millimeter weiter auf. Ich ließ die Hände sinken und spitzte die Ohren – Wie verlockend sie knarrte, wie reizvoll die Scharniere quietschten!
Ich drehte mich auf meinem Stuhl herum und sah sie an. Leicht stand sie ihm Rahmen, schwarzbraun im Dunkel des Zimmers. Sie lachte mich an. Komm doch, flüsterte die Tür in ihrem verführerischsten Ton, komm heraus aus diesem stickigen, engen Raum. Oder öffne mich weiter, damit ich dir mehr Licht spenden kann. Mehr Geräusche von draußen. Mehr Ablenkung von deiner schweren Arbeit. Komm her und öffne mich! Dann kannst Du auch mehr sehen. Mehr Licht für dein Geschriebenes. Du willst doch um Himmels Willen keine Fehler beim Schreiben machen, oder? Bloß kein falsches Wort, kein ungeschickter Ausdruck, kein zu kurzer oder zu langer Satz...
Ich drehte mich wieder um und starrte nach vorn.
Was hatte ich bislang geschrieben? Viereinhalb nichtssagende Füllwörter hintereinander, die eher wie zufällig dahingetippte Buchstaben als wie der Anfang einer Erzählung wirkten. Und unzählbare ähnliche Versuche, die ebenso viel Sinn ergaben und zerknüllt in der ganzen Kammer verteilt lagen.
Auf den Tasten der Schreibmaschine spiegelte sich matt das Licht. Auf einigen Buchstaben klebte ein bisschen Tinte. Das Zeichen der Zurück-Taste war zur Unkenntlichkeit verschmiert.
Mach mal Pause, knarrte die Tür wieder und schwang ein wenig hin und her, im Kühlschrank steht noch Eiskaffee. Du könntest dich auf die Straße setzen und die Sonne genießen, mit der Gemüsehändlerin plaudern...
Durch den Spalt drangen Straßengeräusche.
Wild entschlossen sprang ich plötzlich auf, wechselte das Papier der Schreibmaschine und ging zur Tür. Es kostete mich einen Moment der Überwindung, dann drückte ich die Türklinke herunter, presste die Tür so fest wie möglich an den Türrahmen, lehnte mich leicht dagegen und schloss kompromisslos zweimal ab.
Es war still.
Ich schloss meine Augen, öffnete sie wieder – es machte keinen Unterschied, es war nachtschwarz im Zimmer geworden.
Endlose Sekunden vergingen, bis ich mich selbst zur Ruhe gebracht hatte und begann, zuzuhören. Wie die Holzdielen arbeiteten. Wie die Katze gähnte und ihre Krallen in meine Bettdecke grub, als sie sich streckte. Ein Insekt krabbelte sechsbeinig eine Wand hinauf, jeder einzelne Fuß schabte leise an der Raufasertapete. Ich hörte meinen eigenen Atem. Und meinen Herzschlag.
Vorsichtig, mit ausgestreckten Armen, tastete ich mich zum Schreibtisch zurück und setzte mich. Ich sah die Tasten nicht, ich konnte nicht erkennen, was ich schrieb. Ich hörte nur das Klacken der Tastatur.
Es war im Einklang mit allem, was ich wahrnahm.
Autorin / Autor: brokenmind, 14 Jahre - Stand: 10. Juni 2010