Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Darf ich mich vorstellen. Ich bin eine Tür, nicht aus Glas, Metall oder Gold, sondern aus einfachem Holz. Ich hänge schon ewig in diesen Angeln. Ganz bestimmt bin ich schon älter als du. Ich wurde schon so of zu geschlagen, mit gefährlicher Sanftheit geschlossen und einen Spaltbreit offen gelassen, dass ich aufgehört habe zu zählen. Ich wurde getreten, mit Postern zugepflastert und abgeschlossen um als Schutz für Geheimnisse zu dienen. Ich habe schon unzählige glückliche Familien gesehen, einsame alte Leute und Studenten-WGs. Ich bin nur eine Tür, ich kann beobachten aber nicht eingreifen. Ich bin allein, keiner der andren kann reden. Manchmal hätte ich gerne geschrien oder geweint, doch Türen können das nicht.
Ich mag die neuen Bewohner, meines Heims. Ein junges Paar, mit einer kleinen Tochter. Sie sind nett, erfrischender als die vorigen Bewohner. Ein altes Ehepaar dessen einzige Aktivität am Tag bestand darin den Weg vom Fernseher zum Kühlschrank zu laufen. Ich mag das Mädchen. Jedes mal, wenn sie mich öffnen will, berühren ihre Finger, für einen Menschen eigentlich viel zu kalt, vorsichtig meinen Griff und sie muss sich mit ihrem gesamten Gewicht dagegen drücken um mich aufzuschieben. Ich versuche mich so leicht wie möglich zu machen doch.... Wenn sie es geschafft hat, schaut sie mich stolz lächelnd an, bevor sie zu ihren Eltern geht. Ihr Lächeln macht mich glücklich. Es waren zwei glückliche Monate. Ich hatte das Gefühl endlich zu leben.
Es war eines Abends, es schneite, es war kurz vor Weihnachten. Es bildeten sich schon Eiskristalle an den Fenstern. So kalt war es draußen. Das Paar war streitend nach Hause gekommen und sie hatten mich unvorsichtigerweise nur angelehnt als sie in das Zimmer traten. Ihre Mäntel waren wütend auf dem Boden gelandet. Sie schrien sich immer lauter an. Bis der Mann ausholte und der Frau ins Gesicht schlug. Ihre Stimme steigerte sich noch um ein paar Oktaven, während sie in meine Richtung ging doch bevor sie mich erreichte, hielt der Mann sie grob am Arm fest. Die Frau wehrte sich, erfolglos. Ich war immer noch angelehnt und durch den Spalt viel ein wenig Licht in den dunkeln Flur. Durch diesen schaute ein schokobraunes Auge, das gebannt die Szenerie verfolgte. Ein Schrei ließ mich meine Aufmerksamkeit wieder dem jungen Paar zu wenden. Rot, alles wurde Rot, immer wieder fuhr das Messer in die Brust der jungen Frau, aus deren Augen das Licht schwand. Das Blut regnete auf mich herab. Ein Tropfen traf das bleiche Gesicht, das durch den Spalt lugte, genau unter dem Auge, in dem sich dass blanke Entsetzten spiegelte. Nein, wenn der Mann sie sah, er würde sie töten, ich musste ihr helfen. Lauf, Kleine, lauf, renn um dein Leben. Doch sie hörte mich nicht. Niemand hört auf eine Tür. Zu einer Salzsäule erstarrt blieb sie stehen.
Die Frau fiel gegen mich und ich schlug zu. Ich hoffte, sie würde rennen. Hätte ich doch mehr machen können, hätte ich nicht schon eher zufallen können. Dann hätte sie das nicht sehen müssen. Sie war doch noch so klein.
Der Mann zerrte die Frau weg. Trat auf mich zu und griff nach der Klinke. Lauf, Kleine, lauf. Ich schrie so laut ich konnte. Er drückte die Klinke runter. Doch ich ging nicht auf, ich klemmte, ich hatte angefangen zu rosten, und zu quietschen. Ich war für einen Moment erleichtert. Bis ich merkte, dass der Mann Anlauf nahm und sich mit seinem gesamten Körper gegen mich warf. Ich erzitterte doch blieb ich stehen. Fluchend nahm er noch mal Anlauf. Krachend flog ich aus den Angel und landete in zwei Teile zerbrochen in der Ecke. Ich hörte die Eingangstür zugehen. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
Als ich das nächste mal wieder etwas spürte, konnte ich immer noch nichts sehen. Doch es war warm. Eine leise Stimme flüsterte „Wir sind nicht allein, hörst du wir sind nicht alleine.“ Langsam löste sich der Umhang aus Dunkelheit. Ich war keine Tür mehr, sondern ein ovaler Anhänger, indem eine Schutzrune eingebrannt worden war. Ich hing um ihren Hals. „Du kannst mich hören. Du kannst mich hören?“ „Ja.“ Sie lächelte mich traurig an und aus ihren Augen stahl sich eine Träne und landete auf mir. Bevor sie ihren Blick wieder der schwarzen Gesellschaft zuwendete. Die einer nach dem anderen eine Blume in eine Grube warf. Eine Woge des Glücks überrollte mich, ich war nicht mehr allein. Ich würde für immer bei ihr bleiben. Ich hatte eine Freundin gefunden.
Autorin / Autor: Katharina, 18 Jahre - Stand: 15. Juni 2010