Eine angelehnte Tür
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Wir befinden uns im Jahr 1945. Der 2. Weltkrieg verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Deshalb mussten wir, das heißt meine beiden Geschwister Edward, Rosalie und ich, aufs Land zu unseren Großeltern, Elisabeth und Max. Sie lebten in einem großen Haus mit einem kleinen Bauernhof, den sie letztes Jahr ersteigert hatten. Dort gab es Pferde, Kühe, ein paar Hühner und 5 Schweine. Wir alle liebten diese Tiere sehr und deshalb freuten wir uns auch schon auf unsere "Ferien" .
Wir stiegen in den Zug nach Salvern und winkten mit Tränen in den Augen unserer Mutter zu. Zwei Monate lang würden wir sie jetzt nicht mehr sehen.
Am Bahnhof begrüßten uns Großvater und Großmutter herzlich. Sie fuhren uns mit einer Pferdekutsche zu ihrem Haus. Wir sahen es schon aus der Ferne über den Baumwipfeln herausragen. Rote Dachschindeln leuchteten in der Nachmittagssonne und ließen das Haus dadurch noch herrschaftlicher aussehen. Wir sprangen aus der Kutsche und rannten das letzte Stück Weg zu Fuß. Großvater Max zeigte uns unsere Zimmer.
Ich schaute mich in dem geräumigen Zimmer um. Mein Blick blieb an einer angelehnten Schranktür hängen. Ich blickte genauer hin und sah dann einen hellen Schimmer durch die Tür leuchten. Was war das? Ich wurde neugierig und näherte mich langsam dem Schrank. Je näher ich kam, desto deutlicher vernahm ich Stimmen, die dumpf durch die Tür zu hören waren. Vorsichtig öffnete ich die knarzende Tür. Was sich wohl dahinter verbergen würde? Ich wusste es nicht. Aber als ich die Tür einen Spalt weit geöffnet hatte, blendete mich ein heller Lichtstrahl. Ich trat einen Schritt zurück. Oh, mein Gott war das bezaubernd! Mir gegenüber saßen, ja es war kaum zu glauben, zwei wunderschöne Meerjungfrauen! Die eine saß auf einem Felsen, nahe der stillgelegten Bucht. Sie hatte langes, braun gelocktes Haar, das schimmernd auf ihren Rücken fiel. Ihr Fischschwanz hatte einen perlmutfarbenen Schimmer. Sie unterhielt sich mit einer anderen Meerjungfrau, die aus dem Wasser zu ihr hinauf sah. Ihr blonder Pagenkopf rahmte ihr bezauberndes Gesicht mit den blau glänzenden Augen ein. Die zartrosa schimmernde Schwanzflosse ragte aus dem Wasser. Sie erschraken, als sie mich sahen. Ich ging auf sie zu. Doch das war wohl ein Schritt zu viel, denn mit einem Male sauste ich in die Tiefe. Gott sei Dank landete ich im Wasser. Jedoch bekam ich keine Luft mehr und ruderte nur wie wild um mich. Die beiden Meerjungfrauen jedoch retteten mich durch ihre Berührung. Dadurch verwandelte ich mich augenblicklich in eine Meerjungfrau. Als ich an mir hinunterblickte, sah ich einen langen, glänzenden Fischschwanz. Erstaunt schaute ich auf. Meine Retterinnen lächelten mich freundlich an. "Wie habt ihr das gemacht?" - "Ach, ein kleiner Zauber. Wie heißt du eigentlich? Wir sind die Töchter des mächtigen Ozeankönigs Zahaheus; Fiona und Liana." - "I..ich heiße Zira. Ich bin zu Besuch bei meinen Großeltern.“ - „Hi. Wie fändest du es, wenn wir etwas zusammen spielen? Wenn du möchtest, könntest du auch bei uns im Palast bleiben. Dann hätten Liana und ich eine Freundin.“ – „ Ich fürchte, dass wird nicht gehen. Meine Großeltern und Geschwister würden sich sonst sorgen. Aber dafür könnten wir uns doch jeden Nachmittag hier treffen. … Bloß, wie werde ich wieder normal?“, fragte ich dann erschrocken. „Lass das mal unsere Sorge sein!“ Ich atmete erleichtert aus.
Die nächsten paar Stunden verbrachten wir damit, dass mir Fiona und Liana die Unterwasserwelt zeigten. Doch auf einmal wurde mir bewusst, wie spät es war. Schnell schwammen wir an die Wasseroberfläche. Da zeigte Fiona mit einem Finger auf mich, murmelte etwas Unverständliches und sogleich saß ich getrocknet auf einem Felsen. Ich blickte mich um. Wo war die Tür, zu der ich hineingekommen war? Ich stand auf, suchte und suchte, doch vergebens. Da wandte ich mich meinen Freundinnen zu und fragte sie: „Wisst ihr, wo der Eingang zum Zimmer ist?“ Doch die schauten nur herauf, zuckten die Schultern und grinsten mich an. Im nächsten Moment saß ich, mir nichts, dir nichts, auf dem Bett. Die Tür des Schrankes war verschlossen und ich fragte mich, ob ich das, was eben passiert war, nur geträumt hatte oder ob es Realität war. Ich wusste es nicht genau, doch konnte ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, denn mein Bruder Edward stürmte ins Zimmer und rief mich zum Essen. Ich stand auf und folgte ihm.
Meine Geschichte behielt ich lieber für mich, sonst hätte mich noch jemand für verrückt gehalten. Deshalb vergaß ich sie auch recht schnell und nur durch Zufall errinnerte ich mich jetzt, ein Jahr später, daran. Wir besuchten unsere Großeltern noch einmal und ich erlebte alles ein zweites Mal. Nur das ich diesmal mit den Meerjungfrauen in Verbindung blieb.
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Autorin / Autor: Kiki R., 12 Jahre - Stand: 15. Juni 2010