Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Was für ein Tag. Gerade erst hatte ich das Widersteiner Hotel, an dem ich am Nachmittag angekommen war, erreicht. Bei der Ankunft hatte ich nicht viel Zeit gehabt, mich lange aufzuhalten, da ich geschäftlich sofort zu einem Termin erscheinen musste. Das waren die Nachteile als Vertrieblerin, ich verdiente einen Haufen Geld, doch war am laufendem Band unterwegs und von Einsamkeit umgeben.
Während ich die kleine Parkanlage des Hotels überquerte, kramte ich schon einmal den Schlüssel aus meiner Handtasche hervor. „209.“ konnte ich im Dämmerlicht am Anhänger des Schlüsselbundes lesen. Es war noch Februar und somit schon ziemlich dunkel draußen. Ich betrat eines der Nebengebäude, in dem sich mein Appartement befand. Auf dem Weg zu meinem Zimmer, spürte ich auf einmal das leichte Vibrieren meines Handys aus der Jackentasche. Es war eine Nachricht eines Kollegen, über einen Auftrag für den nächsten Tag. Ich las sie mir durch und schrieb einen kurzen Text zurück.
„Ein schönes Bild nicht wahr?“ Hörte ich plötzlich eine tiefe Männerstimmer hinter mir sagen.
Ich drehte mich um und vor mir stand ein älterer Mann, der mich anschaute. Er hatte wohl gerade sein Appartement verlassen. Ich schaute an die Wand und da war ein Bild, welches aussah wie von einem Kind gemalt mit Blumen, in vielen bunten Farben.
Der Mann hatte wohl nicht gesehen, dass ich nur eine SMS gelesen hatte und bestimmt angenommen, ich hätte es betrachtet. „Sehr schön“ sagte ich um nicht unhöflich zu sein, schenkte dem Bild aber keine weitere Beachtung. Er merkte anscheinend, dass ich nicht in Stimmung für ein längeres Gespräch war. „Ich bin oft hier, immer im gleichem Zimmer und immer wenn ich diesen sonst sehr kühlen Gang entlang gehe, sticht mir dieses Bild ins Auge“ sagte er noch im Vorbeigehen. Ich schaute ihm ein wenig verwundert nach, bis er den Gang verlassen hatte. Worüber sich manche Menschen nur Gedanken machten.
Dann ging ich weiter in Richtung meines Zimmers, doch als ich näher kam, sah ich etwas, was mich in ziemliche Unruhe versetzen ließ. Die Tür war angelehnt! Ein paar Schritte vor ihr blieb ich stehen und schaute mich ratlos um. Was war nur passiert? Hatte jemand bei mir eingebrochen und wenn ja, war er noch im Zimmer? Wollte er etwas stehlen? Oder vielleicht wollte jemand mich ja entführen! Panisch malte ich mir alles, in so einer Situation denkbar Schreckliche aus. Das war bei mir immer so. Alles, was nicht in meinen Terminplaner eingetragen war, löste in mir die totale Verzweiflung aus.
Nachdem ich ein bisschen ruhiger geworden war, grübelte ich noch eine Weile vor mich hin. Schließlich entschloss ich mich, das Zimmer zu betreten, da ich bis dahin kein Geräusch gehört hatte. Zurück zur Rezeption wollte ich nicht, denn was war, wenn ich einfach nur am Nachmittag, vor lauter Eile nicht darauf geachtet hatte, die Tür richtig zu schließen? Nein, so einer Peinlichkeit wollte ich lieber entgehen. Während ich mir also diese eine Geschichte einredete und dabei versuchte meinen anderen Verdacht in den Hintergrund zu drängen, lugte ich vorsichtig durch die Tür. In dem Moment schlug mein Herz vor lauter Aufregung noch schneller, als es ohnehin schon tat.Ich sah jedoch niemanden. Das Appartement war leer. In der ersten Sekunde eine Erleichterung, doch in der nächsten wurde mir bewusst wie leer es war. Ich stürmte verzweifelt hinein und blickte mich im Raum um. Meinen Koffer hatte ich aufs Bett gelegt und meine Bürste, nachdem ich mir meine Haare noch einmal schnell gemacht hatte, auf die Nachtkonsole, dass wusste ich genau, weil dass das Einzige gewesen war, was ich schon ausgepackt hatte. Nichts davon war zu sehen.Stattdessen war dort nur eine zerknüllte Bettdecke, die auf dem Bett lag.
Das war wohl eindeutig - jemand hatte mich bestohlen! Mein Koffer mit meiner Kleidung und noch viel schlimmer, samt den ganzen wichtigen Unterlagen meiner Firma, waren weg!
Langsam kullerten Tränen der Verzweiflung meine Wangen hinunter und meine Fingernägel bohrten sich vor lauter Wut in meine Haut. Ich ging in dem Raum hin und her und versuchte dabei ruhig tief ein- und ausatmen zu können. Vor lauter Aufregung konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen.Polizei. Das war mein erster Einfall. Mit schwitzigen Händen holte ich mein Handy aus der Tasche und wollte die Nummer der Polizei eintippen, -doch, was war das?!
Eindeutig hörte ich ein leises Geräusch, welches wie das Plätschern eines Wasserhahns klang. Er kam aus der Richtung des Badezimmers. Leise ging ich zur Tür. Das Plätschern hatte aufgehört, aber ich konnte trotzdem einen matten Lichtstrahl unter der Tür hervorleuchten sehen. Bis ich Hilfe bekommen würde, wäre der Dieb bestimmt schon mit all meinen wichtigen Unterlagen davon, sagte ich mir. Also beschloss ich, die Sache irgendwie selbst in die Hand zu nehmen. So stark konnte er nicht sein, sonst wäre er bestimmt schon zehnmal herausgekommen und hätte sonst was mit mir gemacht, dachte ich weiter nach.
Ja, ich zitterte noch immer am ganzen Leib, aber der Gedanke, dass nicht alles gerade noch Verschwunden gedachte für immer weg war, brachte mich zum Zusammenreißen. Leise schlich ich hinüber zur kleinen Küchenecke und griff mir eine Bratpfanne, da mir dies, als am besten brauchbarer Gegenstand, als erstes in die Augen stach. Dann schlich ich wieder zurück zur Badezimmertür. In der einen Hand die Klinke und in der anderen hocherhoben die Bratpfanne. Bevor ich die Tür öffnete, holte ich noch einmal tief Luft, dann biss ich mir, vor lauter Anspannung, fest auf die Lippen. Ruckartig öffnete ich die Tür. Wie immer auf das Schlimmste gefasst.
Zur meiner Überraschung bekam ich die Tür gar nicht ganz auf. Ein Putzwagen stand im Weg, fast direkt vor der Tür. Dahinter konnte ich eine Frau in einem grünen Kleidchen und schwarzen Haaren erkennen, die mir, Gott sei Dank, den Rücken zugewandt hatte. Anscheinend war sie gerade dabei das Waschbecken zu säubern. Ungläubig blickte ich in ihre Richtung und ließ schnell die Bratpfanne hinter meinem Rücken verschwinden. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Frau sich mit erstaunter Miene umdrehen konnte.
„Na, sie sind aber früh“, sagte sie und nahm die Kopfhörer ihres Mp3-Players aus den Ohren, „Ich dachte sie reisen erst in der Nacht an.“
Nun war ich total verwirrt. Mit meiner einen freien Hand kramte ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche und starrte verdutzt auf den Anhänger. Oh nein! Dachte ich nur, denn nun konnte ich eindeutig eine „208“ auf dem Anhänger lesen! Wahrscheinlich hatte ich einfach nur in der Dunkelheit die „8“ mit einer „9“ verwechselt. Einen kurzen Moment lang schloss ich die Augen und wünschte mir alles soeben passierte rückgängig machen zu können. Leider stand ich danach immer noch mit einer Bratpfanne hinterm Rücken in dem falschen Badezimmer eines Hotels.
„Es tut mir leid, da habe ich wohl das Zimmer verwechselt...“ murmelte ich ziemlich verlegen, holte zum Erstaunen der armen Putzfrau, die Bratpfanne hinter meinem Rücken hervor, legte sie wieder zurück, nahm meine Tasche und verließ mit einem leisen „Auf Wiedersehen“ den Raum.
Dann stand ich wieder auf dem leeren Flur, doch zu meiner Überraschung stach mir diesmal auf dem Weg zum Zimmer „208“, das farbenfrohe Kinderbild direkt ins Auge. Plötzlich musste ich lachen, lachen wie ich es so lange nicht mehr getan hatte. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand aus einer langen, kalten Zeit herausgezerrt und mich aufgerüttelt. Nach Langem wusste ich wieder, was das Leben bedeutet, auch wenn es nicht die galanteste Art gewesen war, Emotionen neu in mir zu erwecken.
Autorin / Autor: Carolin, 15 Jahre - Stand: 15. Juni 2010