Der Tag an dem die Russen kamen
Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet
Ich hörte Schritte. Der Kies knirschte. Und die Stimmen? Ja es waren die Stimmen von den Russen. Die Russen waren gekommen. In dem Moment bogen sie um die Ecke. Es war das erste Mal, dass ich russische Soldaten sah. Ohne zu zögern, lief ich in ein Haus hinein, dessen Eingang nur 10 Schritte von mir entfernt war. Und die Soldaten? Sie liefen hinter mir her. Es musste einmal ein sehr schönes Haus gewesen sein, bevor es von den Bomben zerstört wurde. Jetzt teilte sich der Gang – Ich lief instinktiv nach links. In diesem Flur gab es viele Türen. In welche sollte ich hineingehen? Plötzlich entdeckte ich eine Tür die anders war, als die anderen und vor allem, sie war nur angelehnt. Wie magisch zog es mich zu dieser Tür. Es roch nach Rauch und ein wenig modrig. Doch das störte mich jetzt nicht. Ich hatte zwar Angst, aber ich musste mich entscheiden, denn ich hörte schon, wie die Russen ins Haus liefen. Ich schlüpfte durch die Tür und ich gelangte in einen fast ganz leeren Raum. Es stand nur noch ein einziger kleiner Tisch da und ein paar zerfetzte Tapeten hingen an der Wand. Da ich mich nirgendwo verstecken konnte, blieb ich einfach an der Tür stehen. Ich wartete nur noch darauf, entdeckt zu werden. Ich hörte immer wieder, wie Türen auf und zu geschlagen wurden. Endlich kam ein Soldat. Er zögerte, als ob er wüsste, dass ich hinter der Tür bin. Er stand so dicht an der Tür, dass ich sogar seine Atemzüge hören konnte, obwohl die anderen immer noch so viel Lärm machten. Was dachte der Soldat hinter der angelehnten Tür wohl gerade? Ich wusste es nicht. Mir kam dieser Augenblick wie eine halbe Ewigkeit vor, doch dann stieß er die Tür auf. Vor mir stand ein junger Soldat. Erst blieb er einen Augenblick stehen, aber dann packte er mich und zog mich aus dem Haus. Er stieß mich in einen Wagen, sodass ich unsanft landete. Alle Plätze waren besetzt von Müttern und Kindern. Die Angst war ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Während der Fahrt sprach keiner ein Wort. Ich wusste nicht, ob sie uns ins Konzentrationslager oder woanders hinbringen würden. Irgendwann hielt der Wagen und wir wurden heraus gezehrt wie Tiere. Wir wurden alle in einen komplett leeren Raum mit einer dicken Stahltür gebracht. In diesem Raum wurden wir für zwei Tage ohne Essen eingesperrt. Dann kamen mehrere Soldaten und meinten, dass wir jetzt frei waren. Ich war sehr verwundert, denn noch nie wurden die Gefangenen frei gelassen. Aber wer hatte dieses veranlasst? Vielleicht der junge Soldat, der mich gefangen hatte? Hatten sie plötzlich Mitleid mit den Frauen, Männern und Kindern? Die Stahltür war angelehnt, aber diesmal führte diese angelehnte Tür in die Freiheit.
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Autorin / Autor: Annika und Deborah, 12 Jahre - Stand: 15. Juni 2010