Ein Funken Hoffnung
Laura saß neben ihrem Vater im Auto. Sie waren auf dem Weg zum Krankenhaus, um die Mutter abzuholen. Diese war gezwungen gewesen wegen ihres Brustkrebs das vergangene halbe Jahr in der Klinik zu verbringen. Das Mädchen freute sich sehr, was auch ihr Vater spürte, der sich auf die Straße konzentrieren musste, auf die leichter Schnee herab rieselte.
Laura begrüßte ihre Mutter beim Betreten des Krankenzimmers mit einer zärtlichen Umarmung. Auch der Vater drückte der Mutter, die schwach und blass in ihren Kissen lag einen Kuss auf die Wange. Sie brachte ein gequältes Lächeln zustande. Kurz darauf betrat ein Arzt den Raum. Er blickte kurz in die Runde und begann dann seine Rede: „Es tut mir leid, ihnen das mitteilen zu müssen. Die Chemotherapie ist fehlgeschlagen. Der Krebs ist einfach zu spät erkannt worden. Wir haben keine Hoffnung mehr, dass Frau Hafer dieses Weihnachtsfest überleben wird. Mein herzliches Beileid.“ Für Laura war es, als schlüge eine kalte Welle über ihr zusammen. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, war verzweifelt und gleichzeitig wütend auf den Mann, der von ihrer Mutter sprach, als wäre sie bereits tot. Am liebsten hätte sie laut um Hilfe geschrien. Dann hatte sie das Gefühl als bekäme sie keine Luft mehr. Schließlich wurde ihr schwarz vor Augen. Laura erwachte in ihrem Wohnzimmer wieder. Ihr Vater saß neben ihr auf dem Sofa, das Gesicht in seinen Händen verborgen. Als sich das Mädchen vorsichtig bewegte, schreckte er hoch. Seine Augen waren vom Weinen rot und verquollen. Laura spürte wieder die schlimme Leere in ihr und begann zu schluchzen. „Wir können das schaffen, hörst du! Wir dürfen unseren Funken Hoffnung nicht verlieren und wenn er noch so klein ist!“, beschwor der Mann seine Tochter und zog sie in seine Arme. In dieser Umarmung begannen beide zu weinen. „Kennst du die Geschichte vom Zauberlicht?“ Als sie verneinte, erzählte der Vater, dass das Zauberlicht den, der nur einen Funken Hoffnung hat, wieder vollkommen gesund machen kann. „Diese Geschichte hat mir deine Oma früher immer erzählt. Das Zauberlicht kommt vom Himmel herab und kann mit einer Kerze zu allen Menschen getragen werden.“
Am nächsten Tag beschloss Laura, dass es Zeit war zu handeln und ging schon früh aus dem Haus.
Das Mädchen stellte eine heruntergebrannte Kerze vor dem Altar der alten Kirche ab. Sie fand, dort wäre sie dem Himmel am nächsten. Lauras Atem bildete in dem kalten Gemäuer kleine Wölkchen. Laut begann sie zu beten: „Lieber Gott, schick mir bitte das Zauberlicht. Mama muss wieder gesund werden!“ Nach einer kurzen Pause wiederholte sie etwas leiser diese Worte. Dann setzte sie sich in eine der Bänke und wartete. Als plötzlich die Kirchentür knarrte, sprang sie erschreckt auf. Im düsteren Licht konnte sie den Pfarrer erkennen. Sie überlegte ob der sie belauscht hatte. Doch der Mann ließ sich nichts anmerken und begann ein Gespräch. Als der Priester schließlich weitereilte, drehte sich das Mädchen um und erstarrte. Die Kerze brannte mit einer hellen Flamme. Vorsichtig nahm sie in die eine Hand und schützte sie mit der anderen. Es ging eine wunderbare Wärme von dem Feuer aus. Schnell verließ Laura die Kirche. Dass der Mesner mit einem Feuerzeug in seiner Hand hinter der Tür der Sakristei stand, konnte sie nicht wissen.
Der Weg ins Krankenhaus war sehr beschwerlich. Der Schneefall wurde noch dichter, sodass Laura ihre Augen zusammenkneifen musste. Der Boden wurde auch zunehmend rutschiger, doch am schwierigsten war es, die kleine Flamme vor dem Wind zu schützen.
Endlich schlug dem Mädchen die Wärme der Klinik entgegen. Die Mutter freute sich über den Besuch ihrer Tochter, doch sie war sehr schwach. Die Kerze erhellte das Krankenzimmer wie ein Hoffnungsschimmer und machte es freundlicher. Die Wangen der Frau schienen plötzlich mehr Farbe zu besitzen. Nun erzählte die Tochter der Mutter die Geschichte vom Zauberlicht und erklärte, dass sie die Hoffnung auf keinen Fall verlieren dürften. Noch lange blieb sie an dem Krankenbett sitzen. Als der Vater und Laura am nächsten Tag zum Krankenhaus kamen, war der Arzt ganz aus dem Häuschen. „Es ist ein Wunder!“, strahlte er, „Wir konnten heute eine Verbesserung des Zustandes von Frau Hafer feststellen. Es scheint als hätte die Therapie doch noch angeschlagen. Ich denke sie wird wieder ganz gesund werden. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte Lauras ganzen Körper. Unglaublich! Ihr Zauberlicht und ihr Funken Hoffnung hatten die Mutter wieder gesund gemacht! Wieder begann das Mädchen zu weinen. Doch diesmal strömten Freudentränen über ihr Gesicht.
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Autorin / Autor: detectivegirl - Stand: 28. November 2008