"Mit 14 noch Jungfrau?"
Sex gilt oft als Gradmesser von Erwachsensein
*Ist es so, dass Jugendliche inzwischen früher Sex haben als noch vor 10 Jahren zum Beispiel? Ist der Druck z.B. "nicht mehr Jungfrau" zu sein stärker geworden?*
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat 2001 eine Wiederholungsbefragung von 14 bis 17jährigen und ihren Eltern zum Thema Jugendsexualität durchgeführt. Die Studie führt Untersuchungen weiter aus den Jahren 1980, 1994, 1996 und 1998, um Trends feststellen zu können. Die Ergebnisse dieser Repräsentativbefragung besagen, dass die Zahl der koituserfahrenen 17-Jährigen konstant, aber die Zahl bei 15- und 16-Jährigen steigend ist. Heute hat jede(r) dritte Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren Geschlechtsverkehr gehabt, das entspricht in etwa den Zahlen von 1998. Der Anteil koituserfahrener Jugendlicher ist, also die schon Sex hatten, seit Anfang der 80er Jahre bei den Jungen generell, bei den Mädchen vor allem in den jüngeren Jahren immer größer geworden.
Wenn man die 90er Jahre als Bezugspunkt nimmt, sehen wir den Anstieg in der Altersgruppe der 15- und 16-Jährigen: während in 1994 mit 15 Jahren 15% der Mädchen und 15% der Jungen Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr hatten, stiegen die Zahlen in 2001 auf 25% bei den Mädchen und 18% bei den Jungen. Unter den 17-Jährigen ist der Anteil der Geschlechtsverkehrerfahrenen seit 1994 relativ stabil geblieben: in 1994 65 und 69%, dagegen in 2001 66 und 61%.
Soviel sagen uns die statistischen Zahlen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass Sex oft als Gradmesser von Erwachsensein genommen wird. Die innere Stimme (was brauche ich eigentlich, wann und von wem?) ist oft nur leise zu hören und weicht dann einem Gruppendruck in der Klasse oder im Freundeskreis. Freunde, Freundinnen, Schulklasse usw. haben in diesem Alter einen enormen Einfluss.
*Ist das Thema AIDS noch präsent?*
Viele haben von der Krankheit AIDS gehört, das Interesse ist allerdings gering. Und oft meinen Jugendliche, sie seien nicht betroffen, weil sie doch im Grunde treu sind. Das mag stimmen für sagen wir mal 2 Monate oder 5. Wenn sich dann die neue Beziehung anbahnt, ist man wieder treu. Deshalb ist es für mich als Sexualpädagogin ein wichtiges Anliegen, immer wieder in Mädchengruppen darauf hinzuweisen, dass die Scheide super sauber ist, sie kann sich sogar selber reinigen (nicht wie unser Mund!). Durch Sex ohne Kondom können nicht nur die Samenflüssigkeit, sondern auch Bakterien, Pilze usw. in der Scheide landen. Das kann unangenehme Folgen haben, wie Ausfluss oder Infektionen, die man nicht merkt und langfristig Unfruchtbarkeit verursachen können.
*Coole Jungs und interessierte Mädchen*
Mädchen stehen näher zu ihrem Körper und sind eher zu motivieren, über Vieles nachzudenken und ihre Einstellungen zu überprüfen. Jungen haben größere Schwierigkeiten, sich auf Gespräche einzulassen. Sie stehen eher unter Druck, sich männlich, also cool, schlau und ohne Fragen zu geben.
*Was hälst du von der Sexualaufklärung in den Schulen und Familien?*
Die Sexualaufklärung in der privaten und öffentlichen Erziehung reicht bei weitem nicht aus. Viele Eltern trauen sich nicht, mit ihren Kindern über Sexualität, Zärtlichkeit, Vertrauen, usw. zu sprechen, oft fehlen dazu die "passenden" Worte. PädagogInnen tun sich damit auch schwer. Da mangelt es bereits im Studium. Dazu kommt, dass der Lehrer darauf trainiert wird, Leistungen zu bewerten. Ein reines Faktenwissen, wie im Fach Biologie, lässt sich noch bewerten. Aber Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnisse?... Schulische Sexualpädagogik soll Orientierung insbesondere in der revolutionären Zeit der Pubertät geben. Sie soll das Gespräch über Sexualität ermöglichen und die Bereitschaft zur Reflexion wecken.
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Autorin / Autor: Rosi Stolz, Kathy Frank - Stand: 15. November 2004