Man weiß nicht, ob es Gott wirklich gibt. Selbst ich, wo ich doch an ihn glaube, zweifle an seiner Existenz. Oder an der christlichen Vorstellung seiner Existenz. Ich denke, alle Gläubigen sehen in ihrem Gott ein Vorbild. Einen mächtigen Herrscher, mächtiger als alle irdischen. Ein „Herrscher-Ideal“. Wenn man glaubt, fühlt man sich sicher. Gott ist ja da. Es kann nichts passieren. Man dankt Gott, richtet Bitten an ihn. Man will an ihn glauben. Doch je mehr man recherchiert, desto weniger kann man an ihn glauben. Ein Beispiel ist die Bibel: Wir alle wissen, dass die Geschichte mit Adam und Eva nicht stimmt. Wir stammen von den Affen ab und wurden nicht von Gott geschaffen. Die Erde ist durch den Urknall entstanden und nicht, weil Gott es so wollte und sie geformt hat. Jesus ist auch nicht in einem Stall in einer Krippe geboren worden. Wenn also diese Geschichten nicht stimmen, warum sollen dann alle anderen wahr sein? Ich meine, ein bisschen Wahrheit muss ja schon dran sein, vor allem am Alten Testament, das ja vor Christi Geburt verfasst wurde – dort wird prophezeit, dass bald ein Retter komme, der lang erwartete Messias. Doch da die Geschichte des Neuen Testamentes zum größten Teil durch die „Österliche Brille“ gesehen wurde, ist sie auch weniger glaubwürdig.
*Viel dazuerfunden*
Ich bin davon überzeugt, dass Jesus der Sohn Gottes war, und dass er auferstanden ist. Aber alle vier Evangelisten lebten nach Jesus. Ich denke, die vier haben viel dazuerfunden oder spekuliert, denn zu Lebzeiten ist ja Jesus nicht durch Heilwunder oder sonstiges aufgefallen. Doch nach seiner Auferstehung .... Er musste ja etwas Besonderes gewesen sein! Ich glaube wohl, dass Jesus einige Menschen geheilt hat, aber nicht mit vielen Menschen drumherum, wie es in der Bibel steht. Ich glaube auch nicht wirklich, dass er über Wasser gegangen ist. Ich denke, die ganze Bibel steckt voller Metaphern, die wir entschlüsseln müssen. Die Geschichte mit dem Fischerboot im Sturm soll zum Beispiel zeigen, wie stark Jesus’ Gottvertrauen war. Sie soll meiner Ansicht nach zeigen, wie viel man schaffen kann, wenn man glaubt, wenn man auf Gott vertraut – man kann vielleicht nicht gerade über Wasser gehen, aber schwierige Situationen meistern. Ich lebe also nicht nach der Bibel, weil ich glaube, dass viel geflunkert oder einfach nur nicht wörtlich gemeint ist. Ich glaube auch nicht daran, dass schlechte Menschen nach ihrem Tod in die Hölle kommen. Denn so wie ich es aus Geschichten kenne, liebt Gott auch die, die viel falsch machen, die, die nicht an ihn glauben oder die, die ihn vielleicht leugnen. Wenn sie es wirklich bereuen, sind sie durch ihre falschen Taten keine schlechten Gläubigen. Gott ist viel zu gütig, um zu bestrafen. Doch ich will nicht zu weit ausschweifen, trotz alledem brauche ich den Glauben an Gott. Wenn es auch ein eingeschränkter Glaube ist, er gibt mir Kraft.
*Ich bewundere Atheisten*
Gerade deshalb bewundere ich Atheisten. Ich könnte nicht ruhig schlafen, wenn ich an nichts glauben würde, wenn ich nicht wüsste, was morgen ist. Ich denke jeden Abend beruhigt: Gott beschützt mich. Alles wird gut werden, und wenn es nicht sofort so ist, dann braucht es seine Zeit. Ich kann mir gar nicht vorstellen, an niemanden zu glauben. Meine Freundin ist auch Atheist, zumindest sagt sie das. Was ich mich immer wieder frage: Wenn ihre Oma stirbt, was fühlt sie dann? Ich würde beten und Gott nach dem Grund fragen. Aber was tut jemand, der keinen Gott hat??? Und: wo ist die Seele ihrer Oma für sie nach ihrem Tod? Weg? Noch im Körper? Für mich ist es sehr schwierig, sich vorzustellen, es gäbe keinen Gott. Ich bin mir sicher, dass es keinen Buddha und keinen Shiva gibt, auch die ägyptischen oder griechischen Götter sind nur Sagengestalten. Aber es gibt einen Gott! Auch wenn ich denke, dass es nicht unbedingt ganz uneingeschränkt der christliche Gott ist. Vielleicht mit einigen Kompromissen. In dem Gott, zu dem ich bete, sehe ich Gott, Allah und Jahwe in einer Gestalt. Der eine Gott mit drei verschiedenen Namen. Ich glaube auch, dass sich alle drei Religionen mit der Zeit in diese Richtung verändern werden, dass die drei Weltreligionen zusammenwachsen zu einer großen. Vorher müsste man sich allerdings vom Alten Testament verabschieden und einen moderneren Papst haben ..... Gut, ich glaube an Gott. Aber wo ist Gott? Da fällt mir eine kleine Geschichte ein, die uns mein Religionslehrer in der sechsten Klasse erzählt hat: Einige Leute aus einem Dorf treffen sich mit dem Pfarrer und denken über Gott nach. Irgendwann gelangen auch sie zu dieser Frage: Wo ist Gott??? Die Erwachsenen wissen darauf keine Antwort, nicht einmal der Pfarrer, also fragt er einen kleinen Jungen, gerade in der Schule. „Wenn du mir sagen kannst, wo Gott ist, bekommst du ein Gummibärchen von mir.“ Darauf antwortet der Kleine: „Wenn DU mir sagen kannst, wo Gott NICHT ist, bekommst du ‚ne ganze Tüte.“ Diese Geschichte spiegelt genau meinen Glauben wider. In der Klasse überlegten wir noch den Rest der Stunde, wo Gott wohl ist, doch später kamen wir auch zu diesem Schluss: Gott ist nicht nur im Himmel, nicht nur in der Kirche, er ist überall, wo man an ihn glaubt. Und auch da, wo man nicht mehr an ihn glaubt. Und da, wo man noch nicht an ihn glaubt. Er umgibt uns, ist da, wenn wir Hilfe brauchen. Ganz egal, bei wie vielen Personen er gleichzeitig sein muss, er ist immer und überall da.
*Ein einfacher roter Punkt *
Auch die Frage nach Gottes Aussehen beschäftigt mich. In der Klasse redeten wir auch darüber. Und da erzählte er, dass er vor kurzem einen Bericht gelesen hatte, von einer Gruppe von Leuten, die sich auch darüber Gedanken gemacht hatten. Jeder sollte SEIN Gottesbild malen. Manche malten einen alten Mann mit langem weißem Bart, manche einen Menschen mit zehn Armen, ein anderer malte einen Löwen, stark und beschützend. Einer allerdings malte etwas ganz anderes: einen roten Punkt. Ein einfacher roter Punkt in der Mitte seines Blattes. Da fragten alle: „Woher weißt du, dass Gott so aussieht?“ Und er antwortete: „Woher wisst ihr denn, dass Gott nicht so aussieht?“ Diese Geschichte ist der obigen sehr ähnlich: Wenn es um Gott als Subjekt geht, wissen wir nichts über ihn. Und genauso wie der Mann denke ich auch: Wir wissen doch nicht wie Gott aussieht. Wir wissen auch nicht, wo genau er ist. Er will es doch so. Es ist nicht schlimm. Wenn wir wüssten, wie Gott aussieht, würden wir uns viel zu sehr mit ihm vergleichen. Außerdem ist Gott das Aussehen nicht wichtig. Das einzig Wichtige ist, dass er da ist. Früher habe ich immer den klassischen alten Mann mit langem weißem Bart vor mir gesehen, wenn ich betete. Jetzt habe ich gar keine präzise Vorstellung von Gott. Er ist überall, also kann er nicht die Gestalt eines Menschen haben. Für mich ist er wie Rauch ... Er ist überall, doch man kann ihn nicht erkennen. Und wenn man ihn erkennen würde, man könnte ihn nicht begreifen. Ob er nun menschlich ist, animalisch oder keiner irdischen Lebensform entspricht. Ich glaube, seine Gestalt (und auch sein wirklicher Name – er heißt ja nicht „Gott“) setzt sich aus vielen verschiedenen Aspekten, vielen verschiedenen Puzzleteilen zusammen. Deshalb könnten wir sie gar nicht fassen – selbst, wenn wir wüssten, wie sie aussieht. Und ich finde, gerade diese Ungewissheiten, diese Geheimnisse machen Gott so mysteriös. Und deswegen glaubt man an ihn.