Von Hirnpudding und Schlangensteak
Woher kommt der Ekel?
Wenn auch jeder Mensch über einen einzigartigen Geschmackssinn verfügt, der genetisch bedingt ist, ist die grundsätzliche Vorliebe oder Abneigung bestimmten Speisen gegenüber nicht vererbt. Allein die Schwäche für Süßes und die Abneigung gegen Bitteres kriegt der Mensch in die Wiege gelegt. Der Ekel vor bestimmten Nahrungsmitteln aber ist meist das Produkt unserer Erziehung und unserer Kultur.
Warnsignal Ekel
Ekel kennen alle Menschen und er ist ein wichtiges Warnsignal unseres Körpers, das uns schützen soll. Und darin sind sich fast alle Menschen gleich, dass sie sich vor Dingen ekeln, die gesundheitsgefährdend sind: vor Eiter und (fremdem) Nasenschleim, vor Kot und verdorbenem Fleisch. Beim Essen aber sieht das ganz anders aus.
Lecker Hundeschnitzel!?
In den USA und in Europa beispielsweise finden die meisten Menschen es furchtbar eklig, Insekten zu knabbern. In anderen Ländern gelten die gerösteten Krabbler als absolute Delikatesse. Wir finden es schlimm, wenn Hunde, die wir wie Freunde behandeln, gegessen werden. In anderen Ländern ist das ganz normal. Bei den einen gilt die Kuh als heilig, bei den anderen das Schwein als unrein. Und wenn wir uns aufregen, dass Leute mit Genuss ein Schlangensteak verzehren, dann regen die sich möglicherweise noch viel mehr darüber auf, wie wir ohne mit der Wimper zu zucken verdorbene und verschimmelte Milch (=Schimmelkäse) zu uns nehmen können.
Zum Nachtisch Käfersülze
Unser Ekel vor Seidenraupen-Ragout oder gerösteten Heuschrecken, die übrigens tatsächlich wie besonders knusprige Chips schmecken **g**, läßt sich also mit Vernunft nicht erklären. Über die philippinische "Delikatesse" Baalut (ein befruchtetes Hühnerei nebst halb ausgebrütetem Küken, das ausgelöffelt wird) muss man nicht reden. Auch Käfersülze wird hierzulande wohl kaum jemandem das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, ebenso wenig wie Bananen-Wurm-Brot oder Hundesuppe (Südostasien). Aber jetzt mal ehrlich? Sind Froschschenkel da wirklich besser? Und Austern, die ja sogar lebendig geschlürft werden. Was ist mit Blutwurst? Oder gar dem englischen Blood pudding, der aus Blut, Fett und minderwertigen Fleischresten besteht? Ist das besser als halb gefrorenes Walroß oder geräucherte Fledermäuse? Sind Kuddeln und Schweinshaxe appetitlicher als Termiten und Hühnerfüße?
Wenn schon, denn schon...
Viele FleischesserInnen beschränken sich beim Verzehr auf die Filetstücke, die Steaks, Koteletts und Schnitzel und finden das dann vertretbar, während Nieren, Herz, Magen, Leber, Haxen, Zunge, Hirn eklig gefunden werden. Dabei ist die konsequente Aussschlachtung eines Tieres in gewisser Weise "politisch korrekt". Wenn man Tiere schon schlachtet, sollte man sie auch hunderprotzentig verwursten...äh ...verwenden. Bei Naturvölkern ist das eine Selbstverständlichkeit.
Vegetarisches Algengericht
Wer von euch Vegetarierin ist, wird sich wahrscheinlich bei Schweinssülze und Hirnpudding genauso schütteln wie bei "Ochsennierenfett" und Zunge. Aber wie sieht es mit rein pflanzlichen Gerichten aus? Z.B. ein richtig schön glibbriges Algengericht? Schleimige Austern- oder Mungopilze? Gummiartiger Tofu? Ist so richtig matschig gekochter Vollkorn-Reis (außen hart und innen ganz weich) nicht irgendwie auch eklig? Habt ihr schon mal einen Riesenhaufen Glasnudeln (zu lange) gekocht und versucht, das zu essen? Wie wäre es mit gekochter Gurke in Gorgonzolasoße? Und auch, wenn in Deutschland nicht jeder Blauschimmel-Käse lecker findet, niemand würde sich davor großartig ekeln - so wie viele Japaner, die das wahrscheinlich völlig abartig finden. Quittengelee? Rosenkohlpudding? Götterspeise mit kandierten Früchten?
Über Geschmack lässt sich nicht streiten
Welche Lebensmittel also eklig gefunden werden und welche nicht, ist in den meisten Fällen eine höchst individuelle Angelegenheit, die auch mit Traditionen und Erfahrungen zu tun hat. Häufig fürchtet sich der Mensch vor Dingen, die er nicht kennt - auch das kann ihn vor (vor möglicherweise giftigen?) Lebensmitteln schützen. Wer gelernt hat, dass Heuschrecken nicht giftig, sondern knusprig und Seidenraupen nicht ungesund, sondern nahrhaft sind, lernt sie vielleicht auch lieben **g**? Probiert es doch einfach mal aus. Erfahrungsberichte erwünscht ;-)).
Autorin / Autor: Sabine - Stand: 6. Juli 2005