"Ich bin zu dick" - Gestörtes Körperbild bei Esstörungen
Körperbildtherapien können das Gehirn verändern
16 Fotos aus unterschiedlichen Perspektiven wurden den Probandinnen gezeigt - von ihnen selbst und von einer fremden Kontrollperson. Die Köpfe wurden aus den Fotos entfernt, um überschneidende Hirnreaktionen zu vermeiden. Foto: Damian Gorczanys
"Ich bin zu dick" ist das Urteil von Patientinnen mit Essstörungen beim Blick in den Spiegel, auch wenn sie oft schon spindeldürr sind. Eine verzerrte Körperwahrnehmung ist der Grund dafür. Diese verzerrte Körperwahrnehmung ist leider gerade der aufrechterhaltende Faktor von Essstörungen wie Magersucht (Anorexie) und Ess-Brech-Sucht (Bulimie). Diese Verzerrung kann in den Hirnfunktionen sichtbar gemacht werden und durch eine Körperbildtherapie nachweislich verändert werden. Das haben ForscherInnen der Ruhr-Universität Bochum herausgefunden, wie das Wissenschaftsmagazin RUBIN der Uni in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.
Lernen, dass der eigene Körper kein Feind ist
„Die große Bedeutung des gestörten Körperbilds wurde in der Therapie von Essstörungen lange vernachlässigt“, sagt Dr. Silja Vocks. Sie hat eine Gruppentherapie entwickelt, die hilft, das Verhältnis zum eigenen Körper wieder zu normalisieren, ihn immer weniger als Feind zu begreifen. Die Therapie funktioniert – worauf beruht aber das verfälschte Selbstbild bei Essgestörten? Was ist der neuropsychologische Hintergrund? Was verändert die Therapie? Diese Grundlagen haben Vocks und der Neuropsychologe Dr. Boris Suchan nun in einer weiteren Studie ergründet. Sie untersuchten 13 Magersüchtige und 15 Bulimikerinnen im Kernspintomografen vor und nach der Therapie, bzw. einige Patientinnen zur Kontrolle nach einer Wartezeit ohne Therapie. Dazu untersuchten sie 27 gesunde Kontrollpersonen. Während der Kernspintomografie wurden den Patientinnen verschiedene Bilder gezeigt: zum einen Darstellungen von menschlichen Körpern im Wechsel mit Bildern von Gegenständen. So konnten die Forscher gezielt die Hirnregionen identifizieren, die bei der Verarbeitung von Körperbildern besonders aktiv sind. Zum anderen wurden die Probandinnen mit Fotoserien konfrontiert, die ihren eigenen und einen fremden Frauenkörper aus verschiedenen Standardperspektiven zeigten.
Die graue Substanz der Extrastriate Body Area war bei essgestörten Patientinnen vor der Körperbildtherapie deutlich verringert. Nach der Therapie glich sich das aus.
Unterschiede in der Hirnstruktur und -aktivierung
Bei der Auswertung der kernspintomografischen Aufnahmen machten die Forscher eine überraschende Entdeckung: In der für die Verarbeitung von Körperbildern zuständigen Hirnregion war bei Essgestörten die graue Substanz deutlich vermindert. Die betreffende Hirnregion (Extrastriate Body Area, EBA) wurde vor etwa fünf Jahren erstmals beschrieben. Und nach der Therapie zeigte sich darin ein Unterschied: Bei Anorexie-Patientinnen hatte sich die Aktivierung der Extrastriate Body Area sowohl in der rechten als auch in der linken Gehirnhälfte durch die Therapie erhöht. Auch die Aktivierungsmuster des Gehirns bei Betrachtung des eigenen Körpers unterschied sich zwischen essgestörten und gesunden Personen – ein Hinweis auf die Gefühlslage bei Betrachtung des eigenen Körpers und auf die Strategie, mit dem eigenen Bild umzugehen.
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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung; Foto: Damian Gorczanys - Stand: 17. Juli 2009