Wenn die Freundschaft ihr Gesicht verliert
Freundschaft ist schon eine komische Sache, sie kann wunderschön sein oder einem das Herz brechen, auf jeden Fall aber ist sie genauso kompliziert wie die Liebe ...
Wer kennt ihn nicht, den kleinen Prinzen, der uns so viel über Freundschaft und Nähe beigebracht hat wie kaum eine andere Erzählfigur? Er hat auch eine langwierige und oft enttäuschende Suche nach einem Freund durchgemacht und am Ende weiß er, "man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche bleibt für die Augen unsichtbar." Freundschaft ist schon eine komische Sache, sie kann wunderschön sein oder einem das Herz brechen, auf jeden Fall aber ist sie genauso kompliziert wie die Liebe - vielleicht sogar noch etwas schwieriger...
Was macht eine Freundschaft zur Freundschaft?
Das ist wohl die komplizierteste Frage. Und dann auch noch gleich zu Anfang.... Ist es das "Stundenlang-am-Telefon-über-alles-und-nichts-reden-können"? Ist es das "Jeden-Morgen-in-der-Pause-zusammensitzen" oder ist es "das-jederzeit-alles-von-ihr-haben-können (sei es die Jeansjacke oder die Matheaufgaben)"? Die Freundschaftsforschung - ja, so was gibt es tatsächlich! - sagt, dass es früher mehr um praktische Hilfestellung ging, während heute in unseren modernen Gesellschaften, die "gefühlshafte, geistige Verbundenheit" im Vordergrund steht. Also wäre die Telefonfreundin nach dieser Definition dir schon mal näher als die Jeansjackenverleiherin. Aber was passiert, wenn sie nicht anruft?
Freundschaftsfallen
Warum meldest du dich eigentlich nicht mehr? Bin ich dir vollkommen unwichtig geworden? So manch eine Freundschaft ist schon an den unterschiedlichen "Melderhythmen" zerbrochen. Besonders dann, wenn eine der beiden besten Freundinnen sich verliebt, ist es erst mal aus mit dem täglichen Anruf oder dem hin- und her mailen. Dann kommt es oft zu hässlichen Eifersuchtsdramen, die denen in einer Liebesbeziehung ganz schön ähnlich sind. Es gibt dann auch tatsächlich einen Trennungsschmerz wie in einer zerbrochenen Liebe. Die eine fühlt sich verlassen, verraten, betrogen und die andere schwankt zwischen Schuldgefühlen und Trotzreaktionen. Zeit der Abgrenzung ist angesagt. Besonders unter Mädchen ist diese Phase in einer Freundschaft die schmerzhafteste, weil eure Freundschaften anders sind, als die unter Jungs. Mädchen haben oft *eine* beste Freundin und pflegen in ihren Beziehungen eine große Intimität. Das nennt man übrigens in der Psychologie eine "Face-to-Face"- Beziehung. Ihr verbringt sehr viel Zeit miteinander und erlebt vieles gemeinsam. Das geht sogar manchmal soweit, dass ihr die ersten Kontakte zu Jungs zusammen aufbaut. Der gemeinsame Alltag - ob real oder virtuell - bringt Fürsorglichkeit hervor und ein starkes Verbundenheitsgefühl, das offenbar niemals kaputtgehen kann. Beste Freundinnen reden nicht nur miteinander über intime Themen, sondern schlafen auch oft in einem Bett und sind sich auch ansonsten körperlich sehr nah. Wenn dann eine Liebesbeziehung ins Spiel kommt, ist diese Nähe irritierend, kann vielleicht nicht mehr so aufrecht erhalten werden und so kommt es zur Krise.
Umgang mit Veränderung
Was aber tun, wenn es dazu kommt? Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Freundschaft kein feststehendes, altes Gemäuer ist, sondern ein Wandlungsprozess. Und der lebt davon, dass es mal Nähe mal Distanz gibt, die aber nichts schlechtes oder gar das Aus der Beziehung bedeutet. Das sind eigentlich die Phasen, an denen die Freundschaft wirklich wachsen kann. Das bedeutet reden, Verständigung und auch loslassen können. Eine wichtige Vorraussetzung dafür ist, dass man seine eigenen Gefühle auch mal zurückstellen kann und versucht, sich in die andere hineinzuversetzen. Keine von beiden WILL ja die andere absichtlich verletzen. Es ist nur die Veränderung, die so weh tut. Viele versuchen diesen Schmerz erst mal mit Trotzreaktionen, Eifersuchtsdramen und Ignorieren der Anderen zuzudecken, was auch anfänglich oft gelingt. Nur hält das oft nicht allzu lange. Und das Bescheuerte ist, dass man dann dieses Verhaltensmuster mitnimmt in jede neue Freundschaft, die ja auch irgendwann mal wieder an diesen Punkt kommt. Besser ist, sich zu trauen, in diese Auseinandersetzung zu gehen. Und wenn es nicht möglich ist, dass ihr darüber redet, dann schreibt euch Briefe.
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Autorin / Autor: ~rosi~ - Stand: 9. September 2003