Akzent verräterischer als Aussehen
Jenaer Psychologinnen untersuchten Wirkung von Sprache
Der Akzent, mit dem eine Person spricht, spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie wir eine Person einordnen. Er ist sogar wichtiger als das Aussehen, das haben PsychologInnen der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt herausgefunden. Die Studie basiert auf der Dissertation von Dr. Rakic im internationalen Graduiertenkolleg "Konflikt und Kooperation zwischen sozialen Gruppen".
Einordnen in Kategorien hilft uns die Welt zu verstehen, kann aber zu Diskriminierung führen
"Das Einordnen in soziale Kategorien, zum Beispiel nach ethnischer Zugehörigkeit, passiert spontan und hilft uns, die komplexe Welt einfacher und damit verständlicher zu machen und so leichter mit Komplexität umgehen zu können", weiß Dr. Dr. Rakic. Allerdings, so fährt die Jenaer Psychologin fort, könne aus einer Kategorisierung auch eine unreflektierte Bewertung über Stereotype werden und zu Diskriminierung führen. Wie der Prozess der Personenwahrnehmung und sozialen Kategorisierung genau abläuft, das untersuchen die Psychologinnen der Jenaer Universität im Rahmen eines Projekts von Prof. Dr. Melanie Steffens in der Forschergruppe "Personenwahrnehmung".
In ihrer aktuellen Studie sind die WissenschaftlerInnen dabei erstmals empirisch der Bedeutung der Sprache für die ethnische Zuordnung nachgegangen. "Mit unserer Sprache übermitteln wir nicht nur Informationen. Die Sprache selbst liefert viele Informationen über die Person, die spricht", sagt Dr. Rakic. So lasse sich an der Sprache etwas über Temperament, Alter oder Gemütszustand ableiten. "Wer mit einem Akzent spricht, der verrät zudem seine ethnische Herkunft."
Bisher wurde Aussehen als wichtiger eingeschätzt
Bislang gingen WissenschaftlerInnen eher davon aus, dass das Aussehen die Einordnung fremder Personen dominiert, daher gibt es auch eine größere Anzahl von Studien, die sich auf das Aussehen konzentrieren, erklärt Dr. Rakic. Der Einfluss der Sprache, genauer des Akzents, sei dagegen bisher vernachlässigt worden. Zu Unrecht, wie die Jenaer Forscherinnen nun zeigen konnten.
Der Versuchsaufbau
Sie zeigten Versuchspersonen Fotos von deutsch und italienisch aussehenden Personen zusammen mit einem schriftlichen Statement der Abgebildeten. Anschließend mussten die Versuchspersonen die Aussagen diesen Personen wieder korrekt zuordnen. Im Einklang mit früheren Befunden wurden hier bei Verwechslungsfehler bevorzugt innerhalb der Gruppen der deutsch aussehenden und der italienisch aussehenden Personen gemacht, Aussagen von deutsch Aussehenden wurden aber nicht fälschlicherweise italienisch Aussehenden zugeordnet (oder umgekehrt). Interessant wurde es jedoch, als Akzente hinzukamen: Nun sprachen deutsch aussehende Personen mal hochdeutsch und mal mit italienischem Akzent, ebenso italienisch aussehende Menschen. "Dabei zeigte sich, dass sich die Versuchpersonen bei der Kategorisierung nahezu ausschließlich am gesprochenen Akzent orientierten", fasst Dr. Rakić ihre Ergebnisse zusammen. Das Aussehen, das im ersten Experiment zur Kategorisierung herangezogen wurde, spielte nun keine Rolle mehr. Dies belege die große Bedeutung der Sprache als Informationsquelle bei der ethnischen Kategorisierung von Personen und steht im Einklang damit, dass akzentfreie Sprache bei der Integration die entscheidende Rolle spiele.
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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 20. Dezember 2010