Die Geschichte von Susy Gutiérrez
Die Tochter eines Kakaobauern in Bolivien erzählt ihre Geschichte
Ich bin Susy Gutiérrez, 23 Jahre alt und die Tochter eines Kakaobauern. Mein Heimatdorf namens Santa Rosa liegt mitten im tropischen Urwaldgebiet Boliviens. Etwas außerhalb dieses Dorfes steht das Haus meiner Familie. Dort wurde ich als sechstes Kind geboren; nach mir kamen noch drei kleinere Geschwister dazu. Neun Kinder also, die versorgt und großgezogen werden mussten.
Keine leichte Aufgabe, besonders wenn es an allem fehlt. Unsere elfköpfige Familie hauste in einer einzigen Hütte aus Palmstängeln, das Dach aus Palmzweigen. Alle zusammen hatten wir gerade mal zwei kleine Schlafzimmer und eine winzige Kochstelle. Um den kleinen Tisch wurden Bretter als Sitzbänke gelegt - hier aßen wir und hier machten wir auch unsere Hausaufgaben. Unsere Familie ernährte sich vor allem von Reis, den Eiern der eigenen Hühner und von Früchten, die in der Gegend wachsen. Mein Vater versuchte, als Kakaobauer das Überleben der Familie zu sichern. Aber der Preis der Kakaofrüchte ist so niedrig, dass davon niemand leben kann.
Ob wir genug zum Leben hatten, war davon abhängig, wie sich der Kakao verkaufen ließ. In der Erntezeit von April bis November tröpfelte so alle zwei bis drei Wochen ein wenig Geld in die Haushaltskasse. In der Zeit von Dezember bis März aber hatten wir so gut wie kein Einkommen - und das bei neun Kindern. Wir Kinder mussten alle viel arbeiten, damit wir überhaupt leben konnten. Wir hatten weder Strom noch Trinkwasser; die Wäsche mussten wir von Hand mit kaltem Wasser waschen.
*Fairer Handel ermöglichte mir den Schulbesuch*
Vor einigen Jahren dann gab es eine einschneidende Wende im Leben unserer Familie: Es wurde der "Mercado justo" ins Leben gerufen, das heißt, seit dieser Zeit gibt es den "gerechten Handel" für die Kakaoproduzenten. Organisationen in Europa haben sich durch gesetzt und bezahlen faire Preise an die Produzenten - dies bedeutet nicht nur einfaches Überleben, sondern dies bedeutet für uns, eine Zukunft zu haben. Wir haben immer noch nicht viel zum Leben, aber unsere Situation hat sich verbessert und wir hatten seit dieser Zeit wenigstens so viel Geld, dass ich zur Schule gehen konnte. Nun bin ich 23 Jahre. Vor drei Jahren habe ich den Schulabschluss gemacht.
Dann bekam ich schließlich von "El Ceibo", unserer Kleinbauerngenossenschaft, Arbeit im Bereich der Trockenfrüchte. Deshalb zogen wir alle nach Sapecho, wo sich die Zentrale der Kleinbauerngenossenschaft befindet und wo ich zusammen mit meinen Geschwistern das Kakaofeld bestelle. Auch diese Früchte werden fair verkauft. Mit den Einnahmen habe ich die Möglichkeit, zu studieren. Zur Zeit befinde ich mich im dritten Semester: Ich mache ein Fernstudium in Forstwirtschaft, weil ich hoffe, selbst später als Kakaobäuerin die Plantagen bestellen zu können.
Inzwischen lebe ich alleine mit meinem 76-jährigen Vater, dem ich den Haushalt führe. Wir haben immer noch keinen Strom in unserer Hütte und nehmen zum Kochen Gas aus Flaschen. Auch fließendes Wasser haben wir nicht im Haus.
Doch habe ich keinen Grund, mich zu beklagen. Andere Familien hatten nicht das Glück, vom Fairen Handel profitieren zu können. Sie leben immer noch in sehr schlechten Verhältnissen. Ich aber sehe eine Zukunft für mich, kann Pläne machen und habe die Möglichkeit, zu lernen - dank des fairen Handels. (C4U/gepa)
Autorin / Autor: checked4you - Stand: 2. Januar 2006