Wahlrecht ab Geburt?
Mitbestimmung von "Kleinen" in der großen Politik!
Ein Herz für Kinder? In der großen Politik dürfen die Kleinsten nicht mitentscheiden. Doch das soll sich ändern. Dafür kämpft die 1992 gegründete Berliner Jugendinitiative "Kinderrächtszänker", kurz K.R.Ä.T.Z.Ä genannt. Die Gruppe klagte im August 1995 vor dem Bundesverfassungsgericht und forderte die Abschaffung der Altersgrenze beim Wahlrecht. Vorerst ohne Erfolg - die Klage wurde abgewiesen. Wir von mitmischen.de fragen sie, was für und was gegen ein Wahlrecht ab Geburt spricht...
Warum sollen Kinder das Wahlrecht bekommen?
Kinder sind vor dem Gesetz eigenständige Personen. Schon als Säuglinge können sie Firmenanteile und Vermögenswerte besitzen. Mit 14 werden sie strafmündig und dürfen über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden. In Parteien können sie mit 16 Jahren eintreten - nur wählen dürfen sie nicht. So will es das Gesetz.
Die Jugendinitiative "Kinderrächtszänker" argumentiert: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland legt in Artikel 20 fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Auch Minderjährige seien ein Teil des Volkes und deshalb von politischen Entscheidungen direkt betroffen. In einer Demokratie müssten jedoch alle Menschen, die von Entscheidungen betroffen sind, an deren Zustandekommen beteiligt werden. In Deutschland geschehe dies durch die Wahl der Volksvertreter.
"Das Wahlrecht ist ein demokratisches Menschenrecht. Es gibt keinen Grund, etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung vom Wahlrecht auszuschließen", so K.R.Ä.T.Z.Ä-Initiator Mike Weimann. Diese Ansicht stößt bei Politikern aller Parteien auf Zustimmung. So kritisiert beispielsweise der FDP-Bundestagsabgeordnete Klaus Haupt, dass die "Staatsgewalt derzeit nur von 80 Prozent der Bevölkerung legitimiert wird." Auch die "National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention", der Deutsche Kinderschutzbund und die BundesschülerInnenvertretung sprechen sich offiziell sich für einen Wegfall aller Altersbeschränkungen beim Wahlrecht aus.
Dem widerspricht spricht nach Aussage von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) Artikel 38 des Grundgesetzes. Dieser besagt, dass man erst ab 18 Jahren wählen darf. Um ein Wahlrecht für Minderjährige einzuführen, müsste der Bundestag den Artikel mit Zweidrittel-Mehrheit ändern, so Zypries.
*Wollen Kinder überhaupt wählen?*
"Darum geht es gar nicht", betont K.R.Ä.T.Z.Ä. Wahlrecht bedeute, dass jeder wählen darf, der wählen möchte. "Ob man dann tatsächlich an der Wahl teilnimmt, ist einem freigestellt." Wahlrecht bedeute ja schließlich nicht Wahlpflicht! Es gebe jedoch viele Kinder und Jugendliche, die wählen wollen. Und deren Engagement und Interesse solle nicht durch Ausgrenzung aus dem politischen Geschehen im Keim erstickt werden.
Zudem könne das Wahlrecht ein Anreiz dafür sein, das Interesse der Jugend an der Politik zu wecken. Fest steht: Jugendliche würden gerne früher wählen gehen - zumindest was die Kommunalwahlen betrifft. Das belegt eine Studie der Hamburger Zeitschrift "Eltern for Family" vom Februar 2005. Befragt wurden 1.451 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. 73 Prozent von ihnen wünschen sich zumindest eine Herabsetzung des Wahlalters.
*Sollen dann auch Säuglinge zur Wahlurne gehen ;-)?*
Unwahrscheinlich: Säuglinge und Kleinkinder werden wohl kaum aus eigenem Antrieb zur Wahlurne pilgern. "Das ist aber noch lange kein Grund, ihnen das Wahlrecht grundsätzlich vorzuenthalten", so Mike Weimann von K.R.Ä.T.Z.Ä.
Die Initiative schlägt vor: Jeder, der eigenständig zum Wahlamt geht und sich ins Wählerverzeichnis eintragen lässt, sollte wählen dürfen. "Und dann ist völlig egal, ob er 7, 16 oder 25 Jahre alt ist." Bei den folgenden Wahlen wäre der- oder diejenige dann automatisch als Wähler gelistet. Auch die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRZG) und andere Kinderrechtsorganisationen unterstützen diesen Vorschlag.
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Autorin / Autor: Björn Bossmann, www.mitmischen.de - Stand: 15. April 2005