Das ewige Kopftuch....
Schon wieder ist in Deutschland eine kontroverse Diskussion über ein Stück Stoff entstanden...
Einige von euch haben bestimmt Schulfreundinnen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, oder ihr tragt selbst eins. Was noch vor wenigen Jahren ein seltsamer Anblick in Deutschland war, gehört heute schon fast selbstverständlich zum Alltagsbild. Für die meisten ist das Kopftuch nichts weiter als ein Kleidungsstück und in keinster Weise ein Stein des Anstoßes. In letzter Zeit aber ist die Diskussion um das Kopftuchtragen von Musliminnen wieder neu entflammt, seit einige deutsche Bundesländer erwägen, Lehrerinnen das Tragen dieser Kopfbedeckung im Unterricht zu verbieten. Nach Meinung vieler PolitikerInnen verstößt das Kopftuchtragen an öffentlichen Schulen gegen das der Verfassung zugrunde liegende Menschenbild, wozu auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehöre. Sie sehen in dem Kopftuch ein Machtinstrument zur Unterdrückung der Frauen im Islam. Außerdem befürchten die GegnerInnen, dass kopftuchtragende Lehrerinnen auf andere muslimische Frauen und Mädchen Druck ausüben könnten, die das Kopftuch selbst nicht tragen wollen. Damit wird den Lehrerinnen unterstellt, dass sie mit dem Tragen eines religiösen Symbols die Schülerinnen manipulieren könnten. Wie würdet ihr reagieren, wenn eure Lehrerin ein Kopftuch tragen würde? Hättet ihr Bedenken? Was sagen eigentlich die muslimischen Mädchen und jungen Frauen selbst dazu?
Zwang oder Überzeugung
Um mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und nicht immer nur **über** die Kopftuchträgerinnen zu sprechen, sondern mal **mit** ihnen, hat das Medienprojekt Wuppertal einen Film gedreht mit dem Titel "Enthüllungen". Der Exil-Club hat einige Interviews aus dem Film ausgewählt und sie auf seiner Webseite veröffentlicht. Zu Wort kommen unter anderem die 22 jährige Erzieherin Sahar aus Wuppertal, die es aus Überzeugung trägt oder die 16-jährige Funda, die niemals ein Kopftuch tragen würde, weil sie es als Zwang betrachtet.
Die kritischen Stimmen gegen ein Verbot
Gegen die Einseitigkeit, die sich in der Diskussion immer mehr ausbreitet, haben sich unter dem Motto "Religiöse Vielfalt statt Zwangsemanzipation!" prominente Frauen aus Politik, Wissenschaft, Kirche und Kultur zusammengeschlossen, um gegen die Kopftuchverbote an öffentlichen Schulen zu demonstrieren. Ihr Vorwurf lautet, dass durch die Kopftuchdebatte Feindbilder aufgebaut und muslimische Frauen zunehmend ausgegrenzt werden. Außerdem führe ein Verbot dazu, dass sich noch mehr Muslime radikalisieren, denn "die Ausgrenzung ist das Zeichen, auf das die Fundamentalisten geradezu warten", sagte die Integrationsbeauftragte Marieluise Beck von den Grünen. Auch die Chefredakteurin von "Jüdisches Berlin", Elisa Klapheck, befürchtet, dass mit dem Kopftuchverbot eine ähnliche Assimilation (Anpassung) von den Muslimen verlangt wird, wie im 19. Jahrhundert von den Juden. Ihre Religion wurde damals auch nur unter der Bedingung akzeptiert, dass sie auf äußere Erkennungsmerkmale verzichten.
*Das Tuch kann ein politisches Symbol sein - muss es aber nicht*
Die Unterstützerinnen dieses Aufrufs wollen keineswegs die demokratiefeindlichen, antisemitischen und frauenfeindlichen Strömungen, die es auch im Islam gibt, verharmlosen, schreiben sie in ihrem Auruf. Das Kopftuch **kann** ein politisches Symbol sein, dass die Nähe zum rechten Fundamentalismus ausdrückt. "Sollte eine Kopftuchträgerin in eben dieser Weise in einer Schule agieren wollen, ist sie für den Beruf der Lehrerin nicht geeignet", heißt es im Aufruf. Aber statt die Kopfbedeckung zu verbieten, könnten andere, längst zur Verfügung stehende Instrumente genutzt werden: individuelle Eignungsprüfungen und das Disziplinarrecht, das dafür Sorge trägt, dass demokratiefeindliche Äußerungen im Unterricht geahndet werden. Schließlich geht es ja darum, was **im** Kopf ist, und das muss auch bei nichtmuslimischen LehrerInnen überprüft werden.
*Alle über einen Kamm?*
Die Initiatorinnen befürchten, dass sich durch das Kopftuchverbot viele Muslime ausgegrenzt und unverstanden fühlen würden, denn viele Mädchen und Frauen tragen es nicht aus politischen, sondern aus religiösen Gründen. Diejenigen, die sich dann allgemeinen Anfeindungen ausgesetzt sehen, weil sie nicht auf die Kopfbedeckung verzichten wollen, könnten so schneller in die Hände von radikalen Organisationen geraten. "Weil in vielen islamischen Ländern Frauen und Mädchen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, wollen wir sie zwingen, es abzusetzen. Fällt uns wirklich nichts Besseres ein, um ihnen zu mehr Bildung und Selbstbestimmung zu verhelfen? Oder wollen wir gar mit dem Kopftuchverbot alle religiösen Symbole in Bildungseinrichtungen verbieten? Wir appellieren an Politik und Gesellschaft, die Gleichstellung von muslimischen Mädchen und Frauen nicht am Nein zum Kopftuch fest zu machen", schreiben die Frauen am Schluss ihres Aufrufs.
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Autorin / Autor: Rosi Stolz - Stand: 8. Dezember 2003