Interview mit Serap und Zeynep
"Hey wo bleibt die Emanzipation der Frau? Oder wurde sie hier in zwischen auf die Kleidung der Frau reduziert?"
*Was ist euer erster Gedanke, wenn ihr nach eurer Meinung zur Kopftuchdebatte gefragt werdet?*
Also, die Gedanken kann man ja nicht immer so äußern, wie sie einem eigentlich durch den Kopf gehen. Man muss manchmal für unanständige Gedanken anständige Wörter finden. Wenn du aber wirklich wissen willst, was uns als erster Gedanke durch den Kopf geht wenn wir nach unserer Meinung über das Kopftuch gefragt werden, ist: „O Scheiße, schon wieder die Kopftuchdebatte! Ich hab kein Bock darauf!"
*Was antwortet ihr, wenn ihr in Diskussionen gefragt werdet, ob das Kopftuch nicht ein Zeichen von Frauenunterdrückung ist?*
Das Kopftuch ist nicht automatisch ein Zeichen für Frauenunterdrückung, genauso wie offen getragene Haare kein Zeichen für die Gleichstellung der Frauen sind. Von der Unterdrückung der Frau kann man nur dann reden, wenn Frauen durch gesetzliche und soziale Zwänge gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen oder es abzusetzen. In beiden Fällen handeln ja die Mädchen und Frauen nicht freiwillig.
*Was sind aus eurer Sicht die wirklichen Probleme, die mit dieser Diskussion unter den Teppich gekehrt werden?*
In manchen Ländern sagen vor allem die Regierungen zu den Frauen; „Wenn ihr kein Kopftuch tragt, dürft ihr nicht zur Schule gehen, nicht ein Beruf erlernen, nicht arbeiten und sogar nicht auf die Straße gehen“. Das ist Unterdrückung der Frau. Hier in Deutschland sagt man den Mädchen und Frauen, „wenn ihr ein Kopftuch tragt, könnt ihr zwar (noch) auf der Straße rumlaufen, zur Schule gehen, einen Beruf erlernen, aber den erlernten Beruf nicht ausüben“. Das ist doch Blödsinn! Da kann sich ja die Frau den jahrelangen Aufwand sparen, wenn sie am Ende sowieso zu Hause sitzen und sich nur um Kinder und Haushalt kümmern muss. Das ist doch auch Unterdrückung der Frau! Hey wo bleibt die Emanzipation der Frau? Oder wurde sie hier in zwischen auf die Kleidung der Frau reduziert?
*Denkt ihr, dass die Diskussion einen Beitrag leisten kann, um überhaupt mal wieder das Zusammenleben zwischen MigrantInnen und Deutschen zu thematisieren?*
Das ist ja nicht die erste Diskussion in Deutschland über das Kopftuch. Seit Jahren wird darüber diskutiert. Die Mädchen und Frauen, die ein Kopftuch tragen, müssen sich immer rechtfertigen, warum sie es tun. Ausgehend von der Kopftuchdebatte kann man natürlich das Zusammenleben zwischen Migrantinnen und Deutschen thematisieren. Wenn aber das Ziel die Annäherung zwischen Deutschen und Migrantinnen sein soll, ist das Kopftuch kein guter Ausgangspunkt. Wir glauben, wir erreichen durch diese Diskussion oder irgendwelche Verbote genau das Gegenteil. Sie verstärken die Ausgrenzung von Migrantinnen.
*Was sagen die kopftuchtragenden Mädchen und Frauen zu der Diskussion, die in eure Einrichtungen kommen?*
In unseren Einrichtungen stellen wir keine Fragen über das Aussehen der Mädchen und Frauen. Sie sind bei uns willkommen, egal ob sie einen Minirock oder ein Kopftuch tragen, welche Haut- und Haarfarbe sie haben, aus welchen Ländern sie ursprünglich kommen etc. Für uns ist es je gemischter desto besser. Aber für LizzyNet haben wir gerade ein Interview mit einer Kopftuchträgerin gemacht. Ich schreibe euch einfach den Dialog auf:
*Frage*: Was denkst Du über die aktuelle Kopftuchdiskussion?
*Frau X* (MIT KOPFTUCH): Das Leben für die Migrantinnen in Deutschland ist sowieso schon schwer, und wenn eine auch noch Kopftuchträgerin ist, wird das Leben noch schwerer. Ich habe mich letztens um einen Job in einer Großküche beworben. Der Arbeitgeber forderte mich dazu auf, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.
*Eine andere Besucherin* (OHNE KOPFTUCH) mischt sich empört in die Diskussion ein: Ja wieso denn das! In einer Küche ist doch ein Kopftuch sogar aus hygienischen Gründen empfehlenswert. In großen Küchen tragen doch Köche auch eine Kopfbedeckung.
*Frage*: Ja und dann, was hast du gemacht?
*Frau X*: Ich hab mein Kopftuch erst mal ausgezogen, weil ich unbedingt arbeiten wollte. Daraufhin hat der Arbeitgeber auf meine Haare geglotzt, als ob er noch nie welche gesehen hätte und hat auch noch taktlos gesagt, dass ich ohne Kopftuch viel schöner sei. Ich habe mich sehr unwohl gefühlt und habe diesen Arbeitsplatz, nach einer Stunde, nachdem mich eine Mitarbeiterin grundlos angeschrieen hatte, verlassen.
*Danke für das Interview :-)*
Autorin / Autor: ~rosi~ - Stand: 8. Dezember 2003