3/11 - Tagebuch nach Fukushima
Autoren: Yuko Ichimura und Tim Rittmann
In dem Roman "3/11 Tagebuch nach Fukushima“ erzählt die japanische Illustratorin und Regisseurin Yuko Ichimura in Tagebucheinträgen von ihrem Leben in Tokyo nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami sowie der nuklearen Gefahr, die vom havarierten Atomkraftwerk Fukushima ausgeht. Neben den Tagebucheinträgen enthält das Buch persönliche Mangazeichnungen der Autorin, die die Erfahrungen anschaulich illustrieren.
Am 11. März 2011 ereignet in Japan das größte je gemessene Erdbeben, kurz darauf trifft ein riesiger Tsunami die Ostküste im Norden des Landes. Insgesamt sterben 15.790 Menschen, rund 4.000 weitere werden vermisst. Die betroffenen Gebiete sind unbewohnbar und fast alles ist zerstört. Tausende Menschen haben ihre Angehörigen verloren oder vermissen sie noch. Der Tsunami beschädigt auch das Atomkraftwerk in Fukushima, Japan steht kurz vor einer atomaren Katastrophe. Die Anwohner müssen evakuiert werden. Die Größe des Schadens am Kraftwerk ist lange Zeit nicht bekannt, es scheint keine Lösung für das strahlende Gebäude denkbar. Das direkte Gebiet um den Reaktor ist auf Grund der radioaktiven Verseuchung nicht mehr bewohnbar. Auch das weit entfernte Tokyo ist von der Katastrophe betroffen, tagelang zieht eine radioaktive Wolke auf die Millionenstadt zu, erst in letzter Minute dreht der Wind ab. Vieles an Obst und Gemüse steht in dem Verdacht, kontaminiert zu sein, und in Folge werden zeitweise einzelne Lebensmittel knapp. In Deutschland und auf der ganzen Welt wird jeden Tag über die Lage in Japan berichtet, liveticker im Internet halten uns auf dem Laufenden.
Doch wie sieht eigentlich eine Japanerin die Situation in ihrem Land? Was geht in den Menschen vor, wenn eine Tragödie dieses Ausmaßes das normale Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellt? Gibt es überhaupt noch ein ,normales` Leben, oder spricht man nur noch von vor und nach der ,Stunde 0'? All diese Fragen stellt sich auch Yuko in ihren Tagebucheinträgen, sie schildert ihre Angst und ihren Mut zum weitermachen. Nicht alle Fragen können beantwortet werden, manche bleiben auch im Raum stehen. Sensibel und sehr ehrlich, aber auch witzig und mit leicht ironischem Blick beschreibt Yuko ihr Leben in Tokyo nach dem Erdbeben und dem Tsunami, mit der radioaktiven Bedrohung im Nacken. Sie zeigt das, was für uns Außenstehende manchmal unfassbar scheint: Das Leben in Japan geht trotz allem - Verlust, Trauer, Angst, Wut, Ungläubigkeit - weiter.
*Meine Meinung*
Der Roman ist die von Tim Rittmann übersetzte, überarbeitete und gedruckte Fassung eines SZ-Blogs, für den Yuko jeden Tag geschrieben hat und ihre Situation und Gefühle schildert. Dabei erzählt sie nicht nur von sich und ihrem Leben, sondern auch von Anderen, Freunden, Kollegen und auch von der allgemeine Stimmung in Tokyo und in Japan. Sie gibt einen unverschleierten Blick auf die Lage, in der sich die Japaner befinden, ihre Suche nach Antworten, Hilfe, die Angst von Verwandten im Ausland oder auch die Flucht nach woanders. Der Roman zeichnet sich nicht durch besondere, stilistische Kunstfertigkeit aus - auf Grund seines Charakters als Tagebuchs. Besonders sind jedoch die vielen Zeichnungen vor jedem Kapitel. Sie sind eigens von Yuko entworfen worden und geben dem Leser einen kurzen Überblick über ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Sie lockern das Buch auf, und zusammen mit den kurzen Texten ist das Buch sehr kurzweilig. Die Sprache ist leicht verständlich und die einzelnen Kapitel sind übersichtlich gegliedert. So ist es gut möglich, auch nach einer kurzen Lesepause wieder einsteigen zu können.
Ich würde das Buch jedem weiterempfehlen, der sich für Fukushima und die Lage in Japan interessiert. Es hat mich berührt, wie Menschen in solchen Krisensituationen miteinander umgehen und diese Zeit überstehen. Allerdings sollte man beachten, dass das Buch in Tagebuchform geschrieben ist und es somit keine erzählerische Art hat. Diese Buchform ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, auch ich musste mich am Anfang daran gewöhnen. Dazu kommt, dass die Informationen nicht wie bei einem Sachbuch im Vordergrund stehen, sondern über die persönliche Lage der Japaner beschrieben wird. Nichtsdestotrotz ist es ein sehr lesenswertes Buch, das in aufrüttelnder, aber nicht nur trauriger Weise über das Schicksal der Japaner durch die Augen von Yuko Ichimura berichtet.
*Erschienen bei: Carlsen*
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Autorin / Autor: hanami - Stand: 30. März 2012