Museen, Theater und Kinos bieten Studenten an bestimmten Tagen kostenlosen Zutritt zu ihrem Angebot. Auch die mit dem Bild des lebenslustigen Studenten untrennbar verbundene Gitarre hört man hier abends oft in den Zimmern des Wohnheims oder auf den Uferwiesen des Flusses Sava.
Zum schönen Stadtbild tragen die zahlreichen Grünanlagen bei, die von Joggern, Hundebesitzern und verliebten Pärchen bevölkert werden. Der am Stadtrand gelegene See Jarun verwandelt sich im Sommer zu einem zweiten Stadtzentrum. Dort badet man, macht Sport und abends finden große Theater- und Musicalaufführungen statt. Dieses Jahr wurde man mit „Hair“ und „Jesus-Christ-Superstar“ verwöhnt. Ticketpreise für bis zu 50 Euro waren üblich, schreckten aber nicht ab.
*Kroatisches Dolce Vita*
Wenn nach einem heftigen Winter, der der Berliner Variante in nichts nachsteht, sich der Frühling langsam einschleicht und sich die ersten Sonnenstrahlen zeigen, dann lebt die Stadt explosionsartig auf. Cafés eröffnen den Straßenbetrieb und das kroatische Dolce Vita beginnt. Besonders samstags, etwa zwischen 10 und 12 Uhr, trifft man sich gut gekleidet zur „spica» in den Cafés der Innenstadt zum Sehen und Gesehenwerden, um bei einem Espresso die Sonne zu genießen und die aktuelle politische Lage zu diskutieren und zu kommentieren. Politik ist das Lieblingsthema der Leute in den Cafes, weil es täglich Neues gibt, über das man sich aufregen kann. Es herrscht immer noch Nachholbedarf. Im Sozialismus gab es kein Mitspracherecht.
Die Menschen leben intensiv, pflegen den Stil der High-Society, auch wenn sie kein Geld haben. Gute Kleidung oder ein Ski-Urlaub sind im Zweifelsfall wichtiger als ein Eigenheim im Grünen. Sehen und Gesehen werden gilt eben nicht nur samstags zur „spica“. Wenn man dagegen den Durchschnittsdeutschen betrachtet, glaubt man nicht, dass Deutschland ein reiches Land ist. Die Devise lautet „Schaffe, schaffe, Häusle baue!“. In Deutschland sieht man nur fröhliche Menschen, wenn das Wetter gut ist.
Dennoch wird Deutschland in vielerlei Hinsicht als Vorbild gesehen. In Kroatien fährt man gerne deutsche Autos, lernt in der Schule Deutsch und lange bevor der Euro erfunden wurde, war die gute alte D-Mark die inoffizielle Zweitwährung. Und auch die Kroaten trauern ihr nach – ganz besonders meine Großmutter, die in ihrem Kopfkissen ein riesiges Bündel 100-DM-Scheine hortete. Für Krisenzeiten, wie sie meinte! Ein Kampf war das, ihr diese abzunehmen und gegen Euro zu tauschen. Jetzt hat sie mehr denn je Angst vor Krisenzeiten.
So sehr man in Kroatien auch zu Deutschland aufschauen mag, es gibt Dinge, die man als Kroate in Deutschland vermisst. Die Familienbande der Kroaten sind viel intensiver. Tanten und Onkel dritten und vierten Grades samt Anhang werden noch zur engeren Familie gerechnet. Deutlich wird das an den komplizierten Verwandtschaftsbezeichnungen. Ein Onkel mütterlicherseits heißt eben anders als einer väterlicherseits. Außerdem versteht es sich von selbst, dass eben auch diese Tanten und Onkel zu Hochzeiten und anderen Familienfeierlichkeiten eingeladen werden. Hierbei geht es laut, ausgelassen und fröhlich zu. Essen wird ausnahmsweise zur Nebensache und man tanzt und singt bis die Band schlapp macht. Danach singt man einfach ohne Musik weiter. Wer ein solches Fest erlebt hat, wird es nie vergessen.
*Keine Zukunft ohne Vergangenheit*
Das Land geht zu schnell in die Zukunft, ohne die jüngste Vergangenheit aufgearbeitet zu haben. Man spricht nicht viel über den Bürgerkrieg, auch nicht über die faschistische Vergangenheit. Viele Politiker, die jetzt an der Macht sind, waren schon zu Zeiten des Sozialismus an der Macht. Junge kommen nicht nach. Man kann auch heute nicht zum Zahnarzt gehen, ohne dezent einen Umschlag mit Geld zu hinterlegen – wie früher.
Es gibt junge Idealisten mit kroatischen Wurzeln, die sich und ihre im Ausland erworbenen Fähigkeiten in Kroatien einsetzen. Die Erfolgs-oder Misserfolgsgeschichten dieser „Rückkehrer“ in meinem Bekanntenkreis reichen vom jungen Ingenieur, der komplett entnervt und mit Magengeschwür wieder nach Deutschland zurückgegangen ist, bis hin zur Krankenschwester, die sogar schon Deutsch verlernt hat und nicht daran denkt, zurück zu gehen. Obwohl sie in einem Team arbeitet, das Minen aus dem Krieg räumt. Oder das Beispiel einer anderen Freundin, einer Fotografin, die wegen ihrer guten Deutschkenntnisse Karriere in einem österreichischen Bauunternehmen in Kroatien gemacht hat. Sie hat dabei fast graue Haare bekommen, bis sie den Leuten klar machen konnte, dass der Schlendrian so nicht weiterläuft. Die wahren Hürden für die „Rückkehrer“ aber sind die kaum durchschaubare Bürokratie, Korruption und Vetternwirtschaft.
Auch ich spüre den Drang in mir, für immer nach Zagreb zu gehen. Ich will es zumindest versuchen. Vielleicht exportiere ich kroatische Bücher nach Deutschland. Ich würde gern etwas machen, was mit beiden Ländern zu tun hat. Mit jedem, der sich zurücktraut und dort Fuß fasst, wird es dem Land besser gehen.
Anita Milardovic, 28, wurde in Waiblingen bei Stuttgart geboren und studiert in Berlin Politikwissenschaften und Kroatistik/Serbistik.
Autorin / Autor: Anita Milardovic - Stand: 17. Februar 2004