BILD ist gar keine Zeitung?
Studie der Otto Brenner Stiftung analysiert Machart und Erfolg der "Bild"-Zeitung
Über die „Bild“-Zeitung wurde schon viel geschimpft und gelästert seit ihrem erstem Erscheinungstag am 24.6.1954 - und dennoch ist sie nach wie vor die auflagenstärkste Tageszeitung in Deutschland. Mit ihren reißerischen Schlagzeilen und täglich einer nackten Frau schafft sie sich zwar Feinde, aber auch viele, viele KäuferInnen (fast 3 Millionen). Das macht sie sich zunutze und verkauft nicht nur die Zeitung für ein paar Cent, sondern auch ihre sogenannten Volks-Produkte, das neueste ist das "Bild-Freunde-Ticket" (zusammen mit der Deutschen Bahn).
Nun ist eine neue Analyse zum Blatt herausgegeben worden; sie stammt von der Otto-Brenner-Stiftung, einer gemeinnützigen Stiftung der IG Metall und nimmt das Blatt mal ernsthaft unter die Lupe. Fazit: Die BILD-Zeitung sei ein Boulevardmedium, das täglich großes Geschrei und viel Gedöns um sich selbst mache, aber kaum Journalismus, so lautet das Fazit der Autoren Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz. Bild ersetze informierenden und kommentierenden Journalismus schlichtweg durch Werbung, Unterhaltung, Kampagnenkommunikation und Marketing.
Das Interesse des Springer-Verlags liegt laut den Autoren fernab vom Journalismus - Themenwahl und Machart seien lediglich dazu da, Publikum zu fangen und zu fesseln. Als Beweis dafür führen Arlt und Storz den niedrigen Preis an, aber auch die Tatsache, dass "Themen, Sprache, Bilder und Layout rücksichtslos als Stimulationsmittel und Reizwerte eingesetzt werden". Die Autoren legten bei ihrer Untersuchung besonderes Augenmerk auf die Berichterstattung über die Griechenland- und Eurokrise des Jahres 2010.
Die Autoren laden zu einem Wechsel der Perspektive auf die „Bild“-Zeitung ein. Sie kommen zu dem Schluß, dass das Erfolgsgeheimnis von „Bild“ darin liegt, dass sie kein journalistisches Produkt ist. „Bild“ schöpfe den „Kessel Buntes“ der Massenkommunikation bis zur Neige aus. Ihr Gewinn liege darin, Grenzen zu überschreiten, die andere einhalten. So werde beispielsweise die Grenze zwischen massenmedialer Veröffentlichung und ökonomischem Produkt konsequent aufgelöst und Information mit Werbung vermischt. "Die Distanz liegt nahe null: Volksbibel, Volkspizza und Volksmeinung werden auf dieselbe Weise vermarktet." heißt es in der Pressemitteilung.
BILD inszeniere sich gern als "Volksstimme“, so die Otto-Brenner-Stiftung, "der virtuelle nationale Stammtisch, an den 'Bild' täglich einlädt, ist eine Selbstinszenierung, die nur solange existiert, wie ihr bereitwillig Glauben geschenkt wird". Allerdings sei auch der Versuch, sich selbst an die Stelle der öffentlichen Meinung zu setzen und als Sprachrohr des politischen Mainstreams aufzutreten, in den letzten Jahren ungenierter geworden.
Mit ihrer Studie wollen die Macher der Selbstverständlichkeit widersprechen, mit der die "BILD" in Deutschland die Rolle des "massenmedialen Platzhirsches" einnehme, und sie laden zu einer Diskussion ein mit dem Ziel, Grenzen neu zu ziehen. Fragen wie zum Beispiel "Wo hört Journalismus auf, wo fangen andere Gattungen öffentlicher Kommunikation an?" dürfen offen gestellt werden.
Die Studie (zum downloaden und bestellen) und alles um die Studie herum unter
Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung