23.07.1969 New York Times: „Sensationelle Furchen im Mondgestein entdeckt – Hinweis auf Leben?“
Am 30.11.1609 entdeckte Galileo Galilei einen neuen Himmelskörper, welcher sich später als ein Mond des Planeten Jupiter herausstellen sollte. Bei diesem Mond wurde ein ganz ähnliches Phänomen festgestellt, wie 1969 im Mondgestein. Allerdings nicht einmal ansatzweise in dem gleichen Ausmaß. Die Furchen auf dem Mond waren klein und unauffällig, also leicht zu übersehen. Europas Furchen jedoch waren deutlich größer, eher Gräben als Furchen und in einem leuchtenden Rot gehalten. Kommen wir zurück ins Jahr 2031. Vor acht Jahren hat die ESA eine Mission zum Jupiter gesendet, um ebendiesen Mond zu untersuchen. Natürlich nebst einigen anderen. Aber trotzdem, für mich ist und bleibt dieser Mond der interessanteste.
Ich kann es immer noch nicht ganz fassen, dass ich nun hier sitze, in der Kontrollzentrale der ESA und einer Sonde dabei zu sehe, wie sie durchs All manövriert. Jahrelang war dies mein größter Traum gewesen, und nun ist er wahr geworden. Ich war hier. Acht Jahre lang hatte man so gut wie nichts gesehen, was man hätte überwachen können. Weshalb auch nach etwa drei Jahren KI eingesetzt wurde, um JUICE, so hieß unsere Mission, zu überwachen. Nur als sie den Asteroidengürtel durchquert hatte, wurde die Sonde aus Sicherheitsgründen wieder manuell gesteuert. Und natürlich jetzt wieder, kurz vor dem Erreichen des Jupiters. Zu meinem großen Erstaunen und Glück, saß nun auch ich hier, in einem sehr bequemen Bürostuhl und beobachtete die vier riesigen Computer vor meiner Nase. In diesem Moment hörte ich meine Kollegin nach mir rufen: „Cäcilia, Cäcilia!“. „Ich komm ja schon. Was ist den los Kata?“. Katarina Donkowitzcka war schon deutlich länger bei der ESA als ich. Sie hatte JUICE jahrelang mitbegleitet, beinahe 20 Jahre mussten es inzwischen sein. Man konnte sich also vorstellen, wie viel Herzblut sie schon in dieses Projekt gesteckt hatte.
Als ich endlich bei ihr ankam stockte mir der Atem. Wir hatten Europa erreicht. „Ist sie nicht wunderschön?“, fragte Kata. Ich konnte nur nicken. „Soll ich näher rangehen?“. Langsam erwachte ich aus meiner Erstarrung und Eifer erfüllte mich. Ich stimmte Kata mit einem Kopfnicken zu und fragte sie: „Kannst du irgendwas auf den Geräten erkennen?“ „Gleich, wir müssen nur noch ein Stück näher ran, um uns ein Bild vom Inneren zu machen. Aber die Kamera funktioniert bereits, wie du sehen kannst“. Ich kehrte zurück zu meinem Platz, wo inzwischen das gleiche Bild aufgetaucht war, wie auf Katas Computer. Es war fast soweit. Gleich konnten wir die ersten Messungen der Mission vornehmen oder zu mindestens die Ergebnisse empfangen. Als die Sonde nah genug war, begann sie die Oberfläche in bis zu 100 km Tiefe aufzuzeichnen. Dann entdeckte ich etwas Merkwürdiges. Eine Schicht war verschwunden. Gerade eben war sie noch dagewesen und nun war nur noch ein Hohlraum übrig. Ein Tunnel. Durch den sich etwas bewegte. „Kata!“, schrie ich so laut ich konnte. „Hast du es auch gesehen?“, fragte sie mich. „Ja, ganz deutlich. Etwas bewegt sich. Ein Wurm!?“ „Ein Wurm?“
Wir saßen noch stundenlang da und zeichneten jede kleine Bewegung auf, die wir finden konnten. Am Ende des Tages wussten wir mit Sicherheit, dass wir auf Europa Leben entdeckt hatten. In Form einer riesigen Wurmkolonie.
Am nächsten Tag informierten wir unseren Chef, welcher uns erst auslachte und dann in helle Panik ausbrach. Innerhalb einer Stunde befanden sich ungefähr 50 Leute in unserem kleinen Büro. Hauptsächlich ESA-Mitarbeiter, aber auch Biologen, Reporter und meine beste Freundin. Meine beste Freundin? Warum war sie hier? Sie war Sprachwissenschaftlerin. Sie hatte keinen Grund hier zu sein. „Valentina? Was machst du denn hier?“ „Dein Chef meinte, wenn deine Würmer wirklich existieren, müssen sie auch miteinander kommunizieren. Aber selbst, wenn nicht, ich wäre trotzdem gekommen, schließlich hat meine beste Freundin gerade das erste bekannte außerirdische Leben entdeckt.“ Ich schnaubte nur lächelnd. In diesem Moment fielen alle gleichzeitig auf mich ein. Irgendjemand musste wohl bekannt gegeben haben, wer ich war. Die Stunden zogen nur langsam vorbei. Als endlich alle gegangen waren, atmete ich erstmal kräftig durch. Ich hatte nie gedacht, dass so etwas so anstrengend sein würde. „Frau Königsberg?“ Mein Chef war ins Zimmer getreten. „Ich wollte ihnen mitteilen, dass sie ab morgen, zusammen mit Frau Donkowitzcka, mit Biologen und Frau von der schwarzen Höh zusammenarbeiten werden, um mehr über ihre Entdeckung heraus zu finden.“ Obwohl ich immer noch nicht ganz verstand, was Valentina mit dem Ganzen zu tun hatte, nickte ich.
Am nächsten Tag stellten wir fest, dass die Würmer ungefähr einen Meter lang und 30 Zentimeter breit waren und sie in der 30 Kilometer dicken Eisschicht lebten. Sie bohrten sich durch die Eisschicht. Valentina hatte darauf bestanden sie Nycellos zu nennen. Da keiner der anderen Anwesenden sich getraut hatte, ihr zu widersprechen, hießen sie jetzt eben so. Was uns nun beschäftigte, war die Frage, ob auf den anderen Monden des Jupiters, ebenfalls Leben vorhanden ist. Alle waren erleichtert als wir endlich Ganymed erreichten und unsere Untersuchungen weiter fortsetzen konnten. Wir mussten diesmal deutlich länger nach einem Lebenszeichen suchen. Solange, dass wir fast aufgeben hätten. Aber zu unserer Überraschung haben wir dann doch noch Leben gefunden. Wieder in Form von Würmern. Allerdings lebten diese Würmer im Wasser in einem unterirdischen Ozean und schwammen statt zu kriechen oder sich durchs Eis zu bohren. Sie bewegten sich seltsamerweise nur auf einer Ebene. Keiner weiß genau wieso. Valentina taufte sie aus einer weiteren Laune heraus Levgane. Ich versteh zwar schon wieder nicht ganz, woher sie dies schon wieder hatte, aber es widersprach ihr auch niemand.
Innerhalb von zwei Wochen wurde beschlossen, zum einen JUICE nicht auf Ganymed zu landen, sondern ihn unbeaufsichtigt als Weltraumschrott im All herumschweben zu lassen und zum anderen, dass eine zweite Mission losgeschickt werden würde, um nach weiteren Lebenszeichen auf den Jupitermonden zu suchen.
Drei Jahre später: Wir haben festgestellt, dass, zu unserer großen Überraschung, sich auf Io ebenfalls eine Wurmspezies entwickelt hat. Damit war die Theorie, dass Leben nur aus Wasser entstand, widerlegt, da Io ein Vulkanmond war. Die Vukonies, wie Valentina sie getauft hatte, waren ganz anders als die Wurmarten auf Europa, Ganymed und auch, wie sie festgestellt hatten, auf Kallisto. Die bewegten sich fort, indem sie die heißen Gastunnel nutzen, um sich nach oben zu bewegen. Diese funktionierten ähnlich wie Geysire. Und wenn sie aus waren, flutschten sie wieder nach unten. Valentina von der schwarzen Höh wurde weltberühmt durch ihre Forschungsarbeit an der Kommunikation der verschiedenen Wurmarten. Aber das ist eine andere Geschichte.