Mission K2-18b
Wettbewerbsbeitrag von Jana Schlotmann, 16 Jahre
Sophie machte einen kleinen Schritt. Blaugrüner Nebel umwaberte ihre Schuhe, als sie langsam ihr Gewicht auf den rechten Fuß verlagerte, der schon einige Zentimeter tiefer gesunken war. Sie schien auf einer Art Gummi zu stehen. Der ganze Planet kam ihr vor wie ein riesiges blaues Gummibärchen, das wie in einem Fantasyfilm mit viel Nebel in Szene gesetzt wurde. Der kleine weiße Fleck am Himmel dieses Gummiballs warf zwar viel Licht auf die Oberfläche, ließ aber auch die gut einen halben Meter hohe Nebelschicht gespenstig wabern. Sie konnte nicht sehen, was sich unter ihren Füßen befand, aber als sie ihren Blick aufrichtete erkannte sie, dass nicht überall Nebel den Boden bedeckte. Sie schienen in einer Art Tal gelandet zu sein. Etwa hundert Meter vor ihr brach eine Schräge durch die Nebeldecke. Auch ihre Oberfläche schimmerte wie die eines Wackelpuddings. Jedoch war sie nicht von dem Dunst verdeckt. Dahinter erstreckte sich eine weite Ebene.
Das war er also K2-18b, Nummer 11 auf ihrer Erkundungsmission der möglicherweise bewohnbaren Exoplaneten. 57 solcher Planeten waren insgesamt auf ihrer Reiseliste. Die letzten zehn waren jedoch jedes Mal eine große Enttäuschung gewesen. Nummer 5 hatte die Größe eines Baumes und schien bei Näherung noch mehr zu schrumpfen und auf Nummer 3 brodelte es wie in einem Hexenkessel. In der Atmosphäre von Nummer 7 hatte man ein luftähnliches Gasgemisch gefunden. Die Anziehungskraft dieses Planeten war jedoch so massiv, dass sie die Rover wie Plattfische von der Oberfläche kratzen mussten. Nachdem einer ihrer Handschuhe auf Nummer 10 in Lila-Flammen aufging, war auch ihre Hoffnung auf K2-18b auf ein Minimum geschrumpft.
Trotz der mystischen Atmosphäre gefiel ihr dieser Planet, 124 Lichtjahre von der Erde entfernt. „Außentemperatur 11°C. Druck normal. Keine Strahlung detektiert. Atemlufttank 96%. Standortübermittlung aktiviert“, meldete sich ihr Raumanzug zu Wort. Sie machte noch einen vorsichtigen Schritt vorwärts. Wieder sank ihr Schuh etwas in den Boden ein, die Oberfläche schien aber stand zu halten. Auf ihrem Rücken trug sie den kleinen Rover, den sie liebevoll Nugget nannte, da er Proben bis zur Größe eines Chicken-Nugget einsammeln konnte. Ihr Plan war es, ihn bis zur Ebene vor ihr zu tragen, da der Nebel den rucksackgroßen Roboter sonst einfach verschlucken würde. Aufgrund der etwas geringeren Schwerkraft im Vergleich zur Erde dauerte es nicht lange, bis sie den Talrand erreicht und die Schräge erklommen hatte.
Das, was von weitem wie ein flaches ödes Land ausgesehen hatte, entpuppte sich als malerische bunte Weite. Aus dem gelartigen Boden kamen lange, farbige Stäbe hervor, die kugelige Lichter an ihren Enden trugen. Der Boden war von weißen, zarten Adern durchzogen, die das Licht des großen Sterns am Himmel reflektierten. Ihr blieb der Mund offenstehen. Langsam ging sie weiter und speicherte mithilfe ihres Helmes Bilder von den seltsamsten Gewächsen und Strukturen. Hinter einem Streifen mit blauen Halbkugeln auf dem Boden, sah sie größere, baumartige Gebilde vor sich. Sie waren in geraden Reihen in perfektem Abstand nebeneinander gepflanzt und erstreckten sich über ein großes Feld. Der Anblick ähnelte einer Apfelbaumplantage auf der Erde.
Ein stampfendes Geräusch drang, gedämpft von ihrem Helm, an ihre Ohren und hallte durch ihren Kopf. Hektisch schaltete sie den Verstärker an ihrem Visier ein, doch das Geräusch kam nicht wieder. Langsam schaute sie sich um. Da! Zwischen den Laternengewächsen huschte eine dunkle Gestalt vorüber. Ihr lief ein Schauer über den Rücken und ihr Herz fing laut an zu pochen. Noch einmal das Geräusch. Eine der Laternen fiel um. Wieder sah sie eine Bewegung. Sie glaubte die Umrisse einer Gestalt ausmachen zu können. Es erstarrte. Für einen langen Moment schien der Schatten sie anzustarren, unschlüssig zu sein. Sophie traute sich nicht auch nur zu blinzeln. Dann fuhr ein Ruck durch den Schimmer und es kam langsam auf sie zu. Seine Bewegungen waren flüssig und lautlos und es verschmolz fast vollständig mit seiner Umgebung.
Es kam bis auf zwei Menschenschritte heran und erstarrte wieder. Doch es war jetzt in dem Bereich, der von der kleinen Sonne des Planeten angestrahlt wurde. Seine Haut glitzerte bläulich und es musste aus demselben gummiartigen Material wie der gesamte Planet bestehen. Aufgerichtet würde es ihr wahrscheinlich bis zum Bauchnabel gehen. Es war lang und dünn und besaß an seinen Seiten jeweils drei Beine. Die Hände erinnerten an Schwimmhäute. Aus dem langen Kopf schauten sie zwei dunkle Flecken unverwandt an. Sie konnte im Gesicht des Wesens keine Emotionen erkennen.
„H....…h…hi“ stotterte Sophie leise. Das Wesen rührte sich nicht. Es schien sie nicht zu hören. Es schaute sie weiter ausdruckslos an. Dann öffnete es seinerseits seinen Mund und schloss in wieder. Stille. Sophie war ratlos. Sie bewegte langsam ihren rechten Arm, um zu einem Winken anzusetzen. Nach kurzem Zögern ahmte das Wesen ihre Bewegung nach, wobei es sich leicht aufrichtete. Sophie war irritiert. Sie wiederholte die Bewegung mit dem anderen Arm. Es hob den obersten Arm der anderen Seite ebenfalls. Sophie hob beide Arme, das Wesen folgte ihr. Als sie auch noch ihr linkes Bein hob, schien es das Interesse an dem Spiel zu verlieren.
Sophie dachte nach. Dieses Treffen war zu skurril. Es konnte doch nicht sein, dass sie ein Lebewesen, einen Außerirdischen auf diesem Planeten gefunden hatte. Dass es irgendwo anders intelligente Lebensformen geben musste, war ihr klar gewesen, trotzdem hatte sie dieser Besuch überrascht. Wohlmöglich gab es noch andere außer ihrem glitzernden Freund auf diesem Planeten. Eine Zivilisation vielleicht.
Sie kniete sich hin und nahm das kleine Titanmesser aus ihrem Anzug. Damit versuchte sie den glänzenden Boden zu bearbeiten. Es war schwer. Die gummihafte Oberfläche war widerstandsfähiger als gedacht. Das Wesen neben ihr rührte sich nicht. Sie hatte einen Bewegungssensor auf es gerichtet, der Alarm schlagen würde, falls es versuchen würde, sich ihr zu nähern. Sie wollte etwas in den Boden ritzen, um mit dem Außerirdischen zu kommunizieren. Doch was sollte sie zeichnen?
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Die Über All Lesung
Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen
Die Über All-Preisträger:innen
Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen
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