Dunkelheit. Leere. Eine Qual? Eine Herausforderung? Wie Übermächtig ist sie tatsächlich? Verschlingt sie alles und jeden so unvorhersehbar bahnbrechend, wie unsere Phantasie es sich zusammenreimt? Ich sage nein. Wider jede Vernunft, meinen meine Eltern. Ihnen zufolge war ich eine skurrile Irre, die sie leider programmiert haben, als der Kinder-Zusammensetzungs-Automat gerade eine Fehlfunktion hatte. Ich war niemals das Kind, dass sich vor der Dunkelheit fürchtete. Ich hielt die Dunkelheit für eine Freundin, die man nicht anfassen konnte. Nicht einmal jetzt, wo ich von einem schwarzen Loch mit samt meiner spärlichen Crew eingesogen wurde, hatte ich Angst vor der Dunkelheit an sich. Vielmehr fürchtete ich, dass sich mein Fleisch von meinen Knochen löst und ich einfach ionisiere, bevor ich entdecken kann, was auch immer sich jenseits jenes Schwarzen Lochs befindet. Es fühlte sich an, als wären wir Ameisen, die durch die Wasserströmung in ein Abflussrohr gesogen werden. Mein Körper wurde zusammengepresst und meine Ohren klingelten. Urplötzlich war es vorbei. Durch die Frontscheibe meines Jägers strahlte ein angenehmes weißes Licht. Dale, mein Co-Pilot und Nigel, mein Techniker standen immer noch direkt neben mir. Verwirrt blinzelten sie umher, wie Maulwürfe. Nigel sah aus, als würde er sich sogar gleich verbuddeln gehen. Erstaunt stellte ich fest, dass das Licht keine göttliche Begrüßung war, die mir zeigte, dass ich tot war. Nein, ein simpler Strahler befestigt an einer nichtssagenden Metallwand. Wenn das schon alles ist, ist das Jenseits mehr als enttäuschend. Natürlich ist es wahr, dass die Menschen vor Jahrhunderten die Erde zerstört haben, aber so gemein musste das Jenseits jetzt auch nicht sein! „Kommt raus und registriert euch“, grunzte eine unfreundliche Stimme durch unseren Kommunikator, während Sie vermutlich auf so etwas wie einem Kaugummi rumschmatzte. „Bist du Gott?“, fragte Dale prompt. Sorgsam verkniff ich mir das Grinsen. „Klappe halten und beweg deinen fetten Arsch hier raus!“ Wahrlich die Stimme Gottes! Schnell setzten wir uns unsere Translatoren in die Ohren, damit wir ihn, was auch immer er war, außerhalb unseres Schiffs verstanden. Auf einer kleinen Tafel neben des Schiffsausganges wurde angezeigt, dass wir die Atmosphäre gefahrlos betreten konnten, also ließen wir die Laderampe des Shuttles runter und traten hinaus. Ein atemberaubendes Bild schlug mir entgegen. Das Shuttle stand mit Blick zu einer Wand auf einem Landeplatz. Doch von der Rampe am Heck des Shuttles aus, öffnete sich unser Blick auf etwas, das man auch als Stadt hätte bezeichnen können. Weiß polierte Wege führten von einer Plattform zur nächsten, allesamt mit Pflanzen bewachsen. Auf den Plattformen und Wegen tummelten sich die verschiedensten Wesen, von schwebenden Wassertropfen mit Gesichtern, bis hin zu riesigen braun-grauen Trollen war alles dabei. Wo waren wir? Urplötzlich schrie Nigel schrill auf. Ich fuhr herum, bereit irgendetwas den Kopf wegzupusten. Ich musste feststellen, dass dieser Plan zwei entscheidende Probleme beinhaltete. Zum einen, dass das Ding so viele Augen und Münder auf dem gesamten Körper hatte, dass man nicht sagen konnte, wo genau nun der Kopf war, und andererseits ließ ich vor Schreck prompt selbst die Waffe fallen. Unbeeindruckt starrten die vielen Augen uns an. „Name, Klassifizierung und Beruf!“, grunzte die unfreundliche Stimme von gerade eben uns an. Völlig überfordert starrten Nigel und Dale mich an. Verlegen räusperte ich mich, verwirrt in welches Auge ich schauen sollte. Ich entschied mich für das besonders glupschige in der Mitte. „Ehm… Rey Nightward, Mensch. Bin so etwas wie eine ehm…“, fieberhaft suchte ich nach einem Wort, dass meine selbsternannte Berufung beschreiben könnte. „…intergalaktische Entdeckerin“. Erstaunt sahen Nigel und Dale mich an. Dale brachte ein erschöpftes Lächeln zustande. „Dale Bridgewalker, Mensch, Co-Pilot“, ratterte er hinunter. Nigel, der verlegen seine verbeulte Hose richtete, starrte das Wesen vor uns an, ohne ein Wort zu sagen. Dale begann hämisch zu grinsen, strich sich eine kurze braune Locke zurück und wandte sich an das glupschäugige Wesen vor uns. „Er ist Nigel Murks der Murkserianer, unbestimmte Lebensform, Beruf: Korkenzieher“, sagte Dale selbstbewusst. Nigel starrte ihn an, als würde er ihm gleich eine deftige Ohrfeige verpassen, dass er es morgen noch klingeln hört. Das Wesen vor uns wabbelte nur, was bei uns vielleicht ein Nicken sein könnte, und glitschte mit einem Tentakel auf einer Tastatur herum. Klirrend fielen drei kleine silberne Gegenstände in einen Auffangbehälter. Er griff nach ihnen und reichte uns nacheinander die Gegenstände. Es waren Anstecknadeln. Ich steckte ihn mir an und eine leuchtend blaue Schrift erschien auf meinem Arm. „Rey Nightward, Mensch, Intergalaktische Entdeckerin“. Auf Nigels Arm dagegen stand: „Nigel Murks der Murkserianer, Unstimmig, Korkenzieher“. Nigel blieb jedoch keine Zeit, das zu korrigieren, denn prompt wurden wir von dem Wesen auf einen der vielen Wege geschoben. „Da drüben ist das Informationscenter“, maulte er und schubste uns mit seinen Tentakeln vorwärts. Es fiel mir nicht leicht, mein Shuttle einfach so bei diesem Oktopus-Spinnen Abklatsch stehen zu lassen, doch meine viel zu große Neugierde trieb mich, wie so oft zu irgendetwas Dämlichem. Also schritt ich, ohne zurückzublicken zur nächsten Plattform. Auf ihr war ein riesiger weißer Tresen, an der eine wunderschöne Medusa-ähnliche Lebensform saß. „Aha“, sagte sie, als sie unsere Identifizierungen sah. „Sie müssen auf direktem Weg in die Kommandozentrale“, schnurrte sie. „Und was genau machen wir dann da? Und überhaupt: wo sind wir eigentlich?“, fragte ich, von ihren sich schlängelnden Haaren fasziniert. Sie sah mich an, als wäre ich hier das Alien und nicht sie. „Sie befinden sich im intergalaktischen Kontrollzentrum. Natürlich müssen sie die zerstörte Erde wieder aufbauen, ist doch klar!“