Herzsignal oder 001111000011001100001010

Wettbewerbsbeitrag von Amelie Krause, 23

“Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen nicht glauben würdet. Greife brennende Schiffe von der Schulter des Orion an. Ich sah C-Balken im Dunkeln in der Nähe des Tannhäuser Tores glitzern. All diese Momente werden mit der Zeit verloren gehen, wie Tränen im Regen.”
Hannah blickte ihre Kollegin Marie mit großen Augen an und sah dann enttäuscht zu Boden.
“Du hast es dir immer noch nicht angesehen, oder?” Marie zuckte mit den Schultern und wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu.
“Keine Zeit gehabt, weißt du?”
“Keine Zeit. Dass ich nicht lache. Für Bladerunner ist immer Zeit. Du weißt, dass das mein liebster Film ist.”
“Das weiß ich. Aber ich konnte dein feuriges Zitat trotzdem genießen. Das ist doch auch was.”
Sie streichelte Hannah über die Haare, nur um sich dann wieder den Zahlen auf ihrem Bildschirm zuzuwenden.
Sie und Hannah waren Teil des Goldstone Deep Space Communications Complex, jener riesiger Satellitenschüsseln, die vor 80 Jahren von der NASA in die Mojave-Wüste gesetzt wurden, um die Kommunikation mit ihren Satelliten aufrecht erhalten zu können und die nun wie Relikte einer außerirdischen Zivilisation aus dem Wüstensand ragten. Dort werteten sie nun, im Auftrag der NASA die Daten aus, die ihnen die Satelliten von ihrer interstellaren Reise mitteilten.
Marie liebte ihren Job und sie wünschte sich oft, auf einem der Satelliten zu sitzen, um mit ihnen zu reisen. Hannah hingegen hatte diesen Job nur angenommen, weil sie selbst sich sehr fremd auf dieser Erde fühlte und Menschen generell aus dem Weg gehen wollte. Vielleicht hatte ein Teil von ihr auch nur den leisen Wunsch, das Signal einer außerirdischen
Spezies zu entdecken, um sich selbst ein wenig zugehöriger fühlen zu können. Dann wären da die fremden Wesen und die Menschen. Und zu einer der beiden Lebensformen würde auch sie sich endlich zugehörig fühlen können. Fragte sich nur zu welcher. Womit Hannah nicht gerechnet hätte, war Marie. Anfänglich haben sich die beiden jungen Frauen nur schüchterne Blicke zugeworfen und auch nur dann, wenn sie sich sicher waren, dass die andere sie nicht bemerken würde. Aus den schüchternen Blicken wurden erste, sanfte Worte und aus den Worten wurden Witze über Star Wars, Aliens oder die Fremdheit der menschlichen Spezies.

“Wenn sie wirklich außerirdisches Leben finden wollen, müssen sie nur bei meinem ehemaligen Mathelehrer klingeln. Die Suche wäre mit einem Schlag beendet.”
“Aber ich dachte, es geht um die Suche nach intelligentem Leben.” antwortete Marie dann grinsend und Hannah warf ihr feixend einen Blick zu, der wohl so etwas wie “Chapeau” ausdrücken sollte. So verliefen die Tage und aus den Kolleginnen wurden Freundinnen und schließlich Liebende.

Marie, die sich der Suche nach neuen Himmelskörpern und, wenn es reinpasste, auch außerirdischen Intelligenzen verschrieben hatte, hätte niemals für möglich gehalten, dass sie in der kleinen, gut klimatisierten Überwachungsstation etwas finden würde, was über das Irdische hinausging, obwohl das in ihrer Jobbeschreibung stand. Liebe war wohl das
außerirdischste, was man auf diesem Planeten finden konnte und manchmal bin selbst ich überrascht, dass eine so begrenzte Spezies zu einer so grenzenlosen Emotion in der Lage ist, aber die Beiden haben sich gefunden und geliebt. Inmitten der Bildschirme, umgeben von dem regelmäßigen Summen der Server, nur beobachtet von dem Poster einer Katze,
die an einem Ast hängt, untertitelt mit: “Halte durch, es ist bald Freitag”.

“Ich schaue mir Bladerunner schon noch an.”
“Das solltest du!”
“Ich weiß, das werde ich.”
“Das sagst du schon seit Tagen” Hannah, die anfänglich tatsächlich empört wirkte, beruhigte sich in dem Moment, in dem die Hand ihrer Partnerin sanft durch ihre Haare glitt und entspannte sich vollständig, mit dem Kuss auf die Stirn, den Marie nachsetzte.
“Vielleicht will ich ihn auch mit dir zusammen schauen, wer weiß.” antwortete sie spielerisch.
“Ist das eine Einladung zu einem Date?” Hannahs Blick hellte sich auf und ihre Augen glänzten mit der gleichen Hoffnung, wie sie sich hauptsächlich in den Augen eines Kindes finden lässt.
“Ich habe die Anziehungskraft des Jupiters überwunden, nur um deiner zu erliegen, habe die Schönheit der Plejaden bewundern dürfen, nur um von deiner geblendet zu werden.” Sie sprach gekünstelt schwermütig “So etwas hätte der Typ aus Bladerunner bestimmt auch gesagt, wenn er Liebe gefunden hätte, oder?”
Hannah, die das Gebaren ihrer Freundin sehr genoss, verdrehte die Augen.
“Der Typ aus Bladerunner heißt übrigens Roy Batty, ist Replikant und hat seine Liebe gefunden und trotzdem nie so einen schleimigen Kram gelabert. Das wüsstest du, wenn du den Film gesehen hättest.”
Nun war es Marie, die die Augen verdrehte.
“Du wirst mir wirklich so lange mit dieser Sache in den Ohren liegen, bis sie vom Tisch ist, oder?”
“Klar, kennst mich doch.” Hannah antwortete spielerisch schnippisch, doch sie konnte ihre Kränkung nicht verbergen.
“Jetzt lass uns erst einmal die letzten Signale durchgehen, Feierabend machen und dann mal schauen, was die Nacht noch bringt.”

Marie, die der Voyager Bodenunterstützung beim Vorbeiflug am Neptun gegeben hatte, stellte sich wie ein schüchternes Schulmädchen an, wenn es um den Umgang mit einem anderen Menschen ging, aber das war wohl eines der größten Wunder, wenn man die endlosen Weiten des Alls erforschte. Irgendwie kam man nicht umhin, auch sich selbst und den Umgang mit der Spezies Mensch zu erforschen, zu hinterfragen und zu raffinieren. Und so kam es, dass Hannah, auf der Suche nach Zugehörigkeit den Ort gefunden hatte, an dem sie immer sein wollte, ihr Zuhause - und Marie beim Blick in die Sterne gelernt hatte, gelegentlich auch auf die Erde zu blicken und zu erkennen, dass die größten Wunder des Lebens immer noch auf diesem blauen Planeten zu finden waren, auch wenn ihr der Neptun besser gefiel.
“Es ist schön, dass es dich gibt.” sagte sie zu Hannah und küsste sie. “Ich weiß, ich kann schwierig sein, danke, dass du meinen Starrsinn erträgst.” Dann lächelte sie, denn Star bedeutete Stern.

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

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