*Was war der Anlaß für dich, "Die Beichte" zu schreiben?*
Es geht ja in dem Buch um einen Ritualmord, um einen Mord, der von dem Glauben motiviert ist, dass man Teile des menschlichen Körpers in einer rituellen Handlung benutzen kann, um das eigene Leben zu verbessern. Zum Beispiel könnte diesem Glauben nach ein Politiker dadurch mehr Stimmen bekommen, ein Direktor eine Gehaltserhöhung, ein Angestellter eine Beförderung... Ich glaube daran nicht, aber viele Menschen in Botswana tun es. Wobei der Glaube, dass sowas wirken kann, natürlich nicht heißt, dass alle Ritualmorde praktizieren. Auf keinen Fall! Die große Mehrheit verurteilt das absolut! Der Glaube daran, dass man mit einem Bulldozer in die Wand einer Bank fahren und das ganze Geld rauben kann, bedeutet ja noch lange nicht, dass man das tut oder etwa diese Art, sich Reichtum zu verschaffen, gutheißt. Das sind vollkommen unterschiedliche Dinge: etwas glauben und etwas praktizieren.
*Aber niemand redet öffentlich darüber, dass er oder sie an die Kraft von Ritualmorden glaubt oder dass es solche Ritualmorde gibt, oder?*
Also, die Leute erzählen schon, wovon sie gehört haben, aber sie erzählen natürlich nicht, woran sie selber glauben oder ob sie etwa selber zu einem traditional healer gehen. Ich bin sehr engagiert, was Kinder und Kinderrechte anbelangt und möchte Kinder gerne schützen - daher konnte ich es nicht fassen, dass niemand das Thema Ritualmord offen auf den Tisch bringt. Daher habe ich ein Buch darüber geschrieben und dazu die Form gewählt, die mir am besten gefällt, die Romanform.
Es gab einen Aufsehen erregenden Vorfall vor 9 Jahren in Moschudi, der tatsächlich zu regelrechten Aufständen führte. Dieser Fall war zwar nicht die Vorlage für mein Buch, aber er hat mich sehr beschäftigt. Das Buch wäre nicht, wie es ist, wenn es nicht diese Geschichte aus Moschudi gegeben hätte. Damals haben die Polizei und hochgestellte Persönlichkeiten versucht, einen Ritualmord an einem Kind zu vertuschen - aus Angst vor den mächtigen Tätern und aus Obrigkeitshörigkeit - aber die Sache kam raus und es gab tatsächlich Straßenproteste, eingeschlagene Fensterscheiben und eine öffentliche Diskussion. Ein Aufschrei ging durch das Land. Aber dennoch: es gibt einige dokumentierte Fälle von Ritualmorden aus den letzten paar Jahren und wie hoch die Dunkelziffer ist - wir wissen es nicht. Gerade heute war wieder ein Artikel in der Zeitung, dass 3 Männer einen Jungen umgebracht haben sollen und man vermutet einen Ritualmord.
*Passt das nicht - leider - geradezu perfekt in das Klischee vom "wilden bösen Afrika"?*
Hm, was ist denn z.B. mit den Kindermorden in Belgien - das heißt ja noch lange nicht, dass alle Belgier schlechte Menschen sind, oder? Das ist wirklich das Besondere an Afrika - wir werden immer beobachtet, kontrolliert, bewertet. Wir stehen immer mit dem Rücken an der Wand, wir können uns nicht mal mehr selbst beurteilen, weil wir so viel Angst haben, dass andere uns nicht richtig finden. Das richtige Maß an Vertrauen, Unabhängigkeit fehlt. Man sollte immer so viel Traute haben, zu sagen: "verurteile mich nicht, was ist dein Problem?"...
Diese Ritualmorde, ja, sie passieren, und für Menschen aus der westlichen Zivilisation sind sie exotisch, bizarr, seltsam - aber seltsame und bizarre Dinge passieren überall auf der Welt. Es ist nicht die Kultur der Belgier Kinder zu vergewaltigen und zu töten - und das würde auch niemand behaupten. Beim Stichwort "Afrika" heißt es, solche Dinge gehörten zu unserer "Religion" - und das ist ein Erklärungskonzept, das ja schon das Rückwärtsgerichtetsein mit einbezieht, so nach dem Motto "es geht ja nicht anders". Natürlich geht es anders. Auch in Belgien und anderswo.
*Was erhoffst du dir durch das Schreiben von Büchern?*
Ich schreibe nicht, um Leute zu unterhalten. Wenn ich es tue, ist es natürlich gut. Ich schreibe - das gilt für alle meine Bücher - um auf bestimmte Dinge aufmerksam zu machen, um dem Leser etwas zu erzählen - und manchmal muss man den Leser eben auch schocken. Wenn sich die Leute über meine Bücher aufregen, weil ich Dinge aussprechen lasse, die sonst keiner sagt - ist das nicht mein Problem. Ich schreibe nicht, um Probleme zu verursachen, sondern um zu lösen. Letztendlich bin ich als Autorin, als Geschichtenschreiberin motiviert. Und ich möchte mir immer noch selber ins Gesicht sehen können.
*Und wie siehst du die Verantwortlichkeit der healer als Richterin?*
Das Problem ist nicht das Gesetz, es würde nichts nützen, die Gesetze zu verschärfen. In diesen Fällen spielt es keine Rolle, ob man ein Heiler ist oder nicht - wenn man in einem Mord beteiligt ist oder jemanden zum Mord auffordert, wird man bestraft. Sicher ist es schwierig, die Beteiligung im Einzelfall nachzuweisen. Bei den tatsächlichen Mördern kann man Spuren überprüfen, Zeugen befragen - aber man es schwierig, an Beweise zu kommen, dass ein Heiler sie angestiftet hat.
*Aber wenn man als Mörder die Schuld von sich weisen will?*
Es gab einen Fall vor ein paar Monaten, da ist ein Mann überführt worden, dass er einen Menschen vergiftet hat. Der Mörder sagte, er hätte das Gift von einem Heiler bekommen. Der Heiler aber sagt, dass das Medizin war und er gedacht habe, es sei für den Klienten selbst. Er könne auch nichts dafür, wenn jemand mit der dreifachen Dosis jemanden umbringt. Dieser Heiler ist freigekommen. Aber es gibt einige andere, die im Gefängnis sitzen.
Autorin / Autor: ~astrid~ - Stand: 20. Januar 2004