Können moderne Frachtschiffe wieder mit Wind fahren?
Die Energie-Frage der Woche beantwortet auf DLR Blogs
Bei steigenden Treibstoffpreisen suchen Reeder weltweit nach Möglichkeiten, ihre Frachter günstiger über die Weltmeere zu lenken. Bereits in den 1920er Jahren wurden die so genannten Flettner-Rotoren entwickelt, auch in einem Vorgängerinstitut des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Nach gut 80 Jahren sticht in diesen Tagen zum ersten Mal wieder ein Frachtschiff mit den Turbosegeln in See. Doch lohnt sich die Renaissance der Segelantriebe?
Zylinderrotoren sollen ein Drittel Schiffsdiesel einsparen
Eine klassische Takelage an Masten wird auf modernen Containerschiffen wegen mangelnden Platzes und zusätzlichen Personals keine Zukunft haben. Doch das Hamburger Unternehmen SkySails demonstrierte bereits, dass sich mit lenkbaren Drachen vor dem Schiffsbug tatsächlich Treibstoff sparen lässt. Und in diesen Tagen sticht ein Frachtschiff mit rotierenden Zylindersegeln in See. An Deck des "E-Ship 1" erheben sich vier etwa 25 Meter hohe Flettnerrotoren, die den 130 Meter langen Frachter auf seinen Testfahrten zwischen Emden und Borkum antreiben sollen. Die Entwickler des Windradbauers Enercon wollen damit den Beweis erbringen, dass Flettnerrotoren rund ein Drittel Schiffsdiesel einsparen können.
"Ich bin überzeugt davon, dass das Schiff ein erster ernsthafter Schritt zur Energiewende in der Schifffahrt ist", sagt E-Ship-Projektleiter Rolf Rohden, er und sein Team erwarten die Testfahrten mit großer Spannung. Mit einer Geschwindigkeit von maximal 17,5 Knoten (32,4 Kilometer pro Stunde) will Enercon mit dem "E-Ship 1" seine Windräder zu den Kunden in Übersee transportieren. Hauptantrieb des 22,5 Meter breiten Schiffs bleiben konventionelle Motoren mit je 3500 Kilowatt Leistung. Aber auf langen Fahrten könnte das E-Ship 1 über die Zylinderrotoren rund ein Drittel Schiffsdiesel einsparen.
DLR-Vorgängerinstitut an Entwicklung beteiligt
Die Technologie hinter dem "E-Ship 1" wurde bereits in den 1920er Jahren entwickelt: An den von Anton Flettner erfundenen Turbosegeln strömte Seitenwind so geschickt vorbei, dass sich auf der Vorderseite der drehenden Zylinder ein Unterdruck aufbaut. Dadurch wird das ganze Schiff vorwärts gezogen. Nicht allein Flettner war dieser neue Schiffsantrieb zu verdanken. Die technischen Grundlagen legte einige Jahre vor ihm Ludwig Prandtl, Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA). Er experimentierte an der AVA, die das älteste Vorgängerinstitut des heutigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt war, mit rotierenden Zylindern, um den Auftrieb von Flugzeugtragflächen zu verbessern. Prandtl selbst, der "Vater der Strömungsforschung", sah jedoch keine Möglichkeiten, diese Zylinder praktisch anzuwenden. Erst Flettner griff später die Idee für seinen Schiffsantrieb auf.
Nach zahlreichen Windkanalversuchen der Rotoren an der AVA, lief schon 1924 die "Buckau" mit zwei Flettnerrotoren zu Probefahrten aus und überquerte 1926 sogar den Atlantik. Doch wegen der damals günstigen und effizienteren Kohle- und aufkommenden Dieselantriebe versank der innovative Segelantrieb in der Versenkung. Erst Anfang der 1980er Jahre ließ der französische Ozeanograph Jacques-Yves Cousteau das mit zwei Flettnerrotoren bestückte Forschungsschiff "Alcyone" bauen.
Hochseetüchtig trotz hoher Aufbauten
Die von weitem sichtbaren Rotoren sind aber nicht die einzigen High-Tech-Komponenten am "E-Ship 1". So basiert der Unterwasseranstrich des Schiffs auf Silikon, um mit einer sehr glatten Oberfläche Reibungsverluste zu verringern. Mit seiner großen Erfahrung auf dem Feld der Strömungsmechanik optimierten die Enercon-Entwickler das Design von Ruder und Antriebspropeller. Auf den nun beginnenden Testfahrten wird der Schiffstüv, der Germanische Lloyd, alle Komponenten begutachten und - bei Erfolg - die Seetüchtigkeit des Frachters bestätigen. Danach wird der Windradbauer mit "E-Ship 1" Gondeln und Rotorblätter für bis zu 20 Windrädern nach Übersee transportieren.
Die DLR-Energiefrage der Woche im Wissenschaftsjahr "Die Zukunft der Energie"
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Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto "Die Zukunft der Energie" gestellt. Aus diesem Anlass beantwortet der Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken in diesem Jahr jede Woche eine Frage zum Thema Energie im DLR Blog. Habt ihr Fragen, wie unsere Energieversorgung in Zukunft aussehen könnte? Oder wollt ihr wissen, wie beispielsweise ein Wellenkraftwerk funktioniert und wie effizient damit Strom erzeugt werden kann? Dann schickt eure Fragen per E-Mail. Wissenschaftsjournalist Jan Oliver Löfken recherchiert die Antworten und veröffentlicht sie jede Woche in diesem Blog.
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Autorin / Autor: Jan Oliver Löfken - Stand: 4. Mai 2010