Das Album ist voll von delikaten Leckerbissen, zusätzlich wild tanzbar und herrlich trivial, meint dulcedo
Ich gebe es offen zu, ich mag ungewöhnliche Musik. Klar, ich höre auch Mainstream (wer tut das nicht?), aber ich bin offen für Hörproben fast jeder Art von Musik. Und wenn mir diese Hörproben auch noch gefallen, was will ich dann noch mehr?
So geht es mir mit der aus Berlin/Potsdam stammenden Band „Hasenscheisse“ [sic!], über die man auf ihrer hauseigenen Website „hasenscheisse.com“ diese urige Beschreibung findet: „Hasenscheisse verbreiten nun schon seit mehr als vier Jahren ihre eigenwillige Mixtur aus delikat gezupften Leckerbissen fürs Ohr und wild tanzbarem, herrlich trivialem Gegröle für die Beine!“ Also, besser könnte ich es nicht beschreiben. Es fällt mir ohnehin schon schwer, Musikgruppen bestimmten Genres zuzuordnen und Hasenscheisse macht es mir noch schwerer, denn sie passen weder wirklich zu Rap, noch zu Pop, noch zu Hip Hop. Was ich mir in den letzten Tagen mehrmals angehört habe, ist tatsächlich am besten mit der eigenwilligen Beschreibung von oben zu definieren. Anders gesagt: Es ist ziemlich gut.
Das Album ist bestückt mit neun Liedern, längeren und eher kürzeren, die mit Berliner Dialekt und komödiantischen Liedtexten gewürzt sind. Der erste Song auf der Platte ist gleichzeitig auch die erste Single, „Das unbedingte Ding“ macht durch seine Länge, die mehrsprachigen Refrains und dem mitreißenden Rhythmus schon ganz schön was her. „Wir stehen um die Wiege, und schauen was ist drin: Ein Junge? NEIN! Ein Mädchen? NEIN!!! Ein UNBEDINGTES DING!!!“
„a-Moll“ ist eine ruhigere Ballade, eine Liebeserklärung an den Gitarrengriff, was zwar total abgedreht, aber irgendwie auch ziemlich süß ist. Und die Melodie dazu ist toll. „Denn du klingst zart und feminin, du klingst wie hunderte von Harfen, Du bist mir oft im Traum erschien: a-Moll, ich möchte mit dir schlafen!“
„Kein Bock & keine Zeit“ handelt von jemandem, der sich nicht gut und kreativ genug für diese Welt fühlt und denkt, alle anderen seien engagierter als er. Am Anfang versucht er noch, dieses Gefühl zu verstecken, am Ende jedoch entwickelt er sich zu jemandem, der sich den anderen ebenbürtig fühlt. „Alle sind ja sooo unglaublich kreativ, malen, zeichnen oder basteln… BOMBEN FÜR DIE REVOLUTION – oder an ihrer Karriere. Ich bastel auch, aber nur so was mit langen OCBs“ (Anmerkung: OCB-Papier ist in Europa als Zigarettenpapier recht bekannt.)
Der vierte Track, „Feuerwasser“, beschreibt mit einer Prise Humor die Bedeutung des Alkohols für die Welt der Showbühne. „Sex, Drugs, Rock’n’Roll seit einer Ewigkeit; Wein, Weib und Gesang hieß das vor langer Zeit. Schon damals nahm man für die Kunst den frühen Tod in Kauf. Schiller, Mozart, Beethoven, alle war’n sie drauf!“
„Finde deine Mitte“ ist ein anfangs sehr übertreibender, zum Ende hin aber nachdenklich machender Text über Esoterik und darüber, was wirklich wichtig im Leben ist. „Höre auf dein Herz, mein Freund, und finde deine Mitte. Dit is ja allet jut und schön, aber wie mache ick denn ditte?“
Das nächste Lied, „Der alte Mann“ ist die Geschichte der Begegnung von Weihnachtsmann und Osterhase, die sich gegenseitig in dem Glauben herausfordern, der andere würde ihm das Geschäft kaputtmachen. Der Song ist recht lang und wirklich absurd, aber auch unglaublich lustig und mit einem klasse Refrain: „Aber Saison bleibt Saison – darum geht in diesem Song. Die Karotten wachsen auch nicht, wann sie wollen – frag doch die Möhrn“
„Monika“ ist das kürzeste und siebte Lied auf dem Album und den Text hat Christian Näthes älterer Bruder Lars geschrieben. Es ist auch das Berührendste, da es um zwei junge Menschen geht, die Suizid begehen möchten und es sich in allerletzter Sekunde anders überlegen. Um sich abzulenken, beschließen beide, „jetzt erstmal tanzen [zu] gehen“.
Der vorletzte Song, „So wie der Strauß“, erklärt die Widrigkeiten, die auftreten könnten, wenn man wie der Strauß seinen „Kopf in den Sand steckt“ und aufgibt. „Es knirscht zwischen den Zähnen – das versaut den Sonntagsbraten. Alles schmeckt im Abgang erdig, deswegen kann ich dir nur raten: Steck deinen Kopf nicht in den Sand so wie der Strauß.“
Und das letzte Lied mit dem größten Ohrwurmfaktor heißt „Hätte, hätte, hätte“ und brennt sich nach nur einmaligem Hören ins Ohr ein. Da kann man mitsingen, da kann man mittanzen, da ist alles gelungen. „Hätte, hätte, hätte - dit klebt wie eine Klette in der Kommunikation – und nährt die süße Illusion“
Ich kann also nur bestätigen, was „Hasenscheisse“ von sich selbst behaupten: Das Album ist voll von delikaten Leckerbissen, zusätzlich wild tanzbar und herrlich trivial. Eine Platte, auf die sich die Herren Näthe (Gesang/Gitarre), Mengert (Gesang/Gestus), Lasch (Percussions/Chor), Giese (Bass/Chor) und Fuchs (Akkordeon/Chor) wirklich etwas einbilden können.
Autorin / Autor: dulcedo - Stand: 20. April 2012