Verstehen

Einsendung zum Wettbewerb U 20 - Ü 60

Liebes Tagebuch, (liebe Oma),

nun sitze ich hier und weiß nicht, wie ich anfangen soll. Aber dabei würde ich so gerne meine Gedanken los werden, um vielleicht selbst den Lauf der Dinge wenigstens etwas zu verstehen.

Es ist nun fast 5 Jahre her, als meine Oma (Ja, ich schreibe ‚Oma’ und nicht ‚Großmutter’. Schließlich war sie ja auch immer meine ‚Oma’!) verstorben ist. Und auch 5 Jahre danach kann ich so vieles noch immer nicht genau zuordnen. Ich finde einfach keine passende Schublade.

Meine Oma war 88 Jahre alt, als sie uns verließ. Ihre Haut war faltig, gezeichnet vom Leben. Von außen war sie hart wie Stein, doch in ihren Augen strahlte immer ein Fünkchen Wärme, das einem das gewisse Gefühl von Geborgenheit gab. Und trotzdem, wie bereits erwähnt, war sie so hart wie Stein. Nur als eine der wenigen durfte ich die andere Seite von ihr spüren, dieses kleine Fünkchen Wärme. Aber warum? Warum konnte sie sich den anderen Menschen nie so zeigen, wie sie es bei mir getan hat? Warum trat Sie als kaltherzige Person auf, obwohl sie so viel anders sein konnte?

Ja, sie hatte viel erlebt. Die erste große Liebe im Krieg verloren. Ebenso musste ihr Bruder in jungen Jahren sein Leben im Kampf lassen. Mit 18 erfuhr sie während der Feldarbeit vom Tod ihres Bruders, als ihre Eltern ihr mitteilten, dass sie den Hof nun weiterführen müsse. Sie musste sich in dieser schweren Zeit um alles kümmern, gezeichnet von Trauer und Wut über den Krieg und dessen Opfern. Später, als sie ihren zukünftigen Ehemann kennen gelernt hatte, wurde das Leben etwas besser. Aber man vergisst alles Geschehene nicht. Mann kann es gar nicht.

Meinen Opa habe ich nicht kennen gelernt. Er starb im Jahr meiner Geburt an einem Herzinfarkt. Ein weiterer Schlag, den meine Oma nur schwer verkraftete, ebenso wie jenen, als sie ihre Zwillinge nach der Geburt begraben musste.

Ich kann gut verstehen, dass dies alles Beweggründe sein können, um ein ‚Stein’ zu werden. Aber wieso war sie zu mir so anders? Mein Vater sagte einmal, dass ich einer der wenigen war, dem sie Einblicke in ihr Leben gewährte und ich deshalb verstehen konnte bzw. sollte, was ihr zugestoßen war, wie viel Leid sie ertragen und sie trotz allem weiterkämpfen musste.

Ja, Verständnis. Eines der wichtigen Dinge, die zwischen Jung und Alt existieren sollten. Aber oft ist das leider nicht so. Wir, die junge Generation, verstehen oft die Beweggründe nicht, die ältere Leute dazu veranlassen, anders zu sein oder zu denken. Und die ältere Generation kann oder will uns nicht verstehen, dass wir einfach noch zu jung sind, um solche Erfahrungen wie sie gemacht zu haben, um gezeichnet vom Leben zu sein.

Liebe Oma, wenn du mir von oben zusehen solltest: Ja, ich habe endlich verstanden! Und Danke, dass ich dies nun erkennen konnte, und dass du mich an deinem Leben und an deiner Vergangenheit hast teilnehmen lassen!
Ich hoffe ich kann diese Erfahrung in irgendeiner Weise an meine Mitmenschen weitergeben.

In Liebe, deine Enkelin

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U20 - Ü60 - So wollen wir zusammen leben

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Die Jury

Schöne Preise für die schönsten Einsendungen

Worum geht es im "Wissenschaftsjahr 2013 - Die demografische Chance"?

Die Siegerehrung zum Wettbewerb "U20-Ü60"

Es war schwer, aber die Jury hat entschieden...

Autorin / Autor: black5angel5, 18 Jahre