(K)eine Katergeschichte

Einsendung zum Wettbewerb U 20 - Ü 60

Das Kennenlernen des verwilderten Schnurrkerls und das Wohnen mit ihm

Sie werden es schon merken, wenn dieser liebenswürdige Fünfundzwanzig´er vor Ihrer Haustür steht. Wenn er sagt: „Hier bin ich, darf ich bleiben?“ Sie werden verdutzt im Hauseingang stehen, werden in die blauen Augen des Zweibeiners schauen und vielleicht weich werden. Durch ihren Kopf fließen die Ereignisse des letzten Jahres, und sie wissen plötzlich: Das ist doch dieser lebensfrohe Bub, der überall und insbesondere in den Zeitungen für anrührende Erfolgsmeldungen sorgte. Dieser Bengel lacht so schwiegermutternett, und sein Stoppelhaarschnitt lockt zum Versuch, mal liebevoll darüber hinwegzustreichen.

Wenn dieser zweibeinige Fünfundzwanzig´er also tatsächlich vor Ihrem Haus steht, dann sagen Sie doch bitte liebevoll: „Willkommen, mein Großer!“ Dann wird dieser strahlende Junge ihnen alle Anfangsschwierigkeiten beim Kennenlernen nehmen, so wie es ein herumstreunender Kater tut. Er wird Ihnen um die Gusche und um die Beine gehen, und spätestens dann werden sie den jungen Kater schnurren hören. So nach dem Motto: Ich werde euch umgarnen, ich werde euch auch irgendwie auf schöne Weise umschmeicheln.

Uns hat dieser sympathische Zweibeiner vor sechs Wochen besucht, und seitdem ist er hier zu Hause. Er annektiert uns, eben wie ein streunender Kater: schnurrend, spielend, kosend und kostend. Er isst, wie alle zweibeinigen Katzen, mit Messer und Gabel. Er schleckt sich die Lippen mit seiner rosaroten Zunge ab, wenn es so richtig geschmeckt hat. Wenn es Abend wird, dann werden seine Augen andersfarbig, und sein Blick wird intensiver. Da möchte er noch einmal um das Haus spazieren, um seine Lieblingsbäume umschmeicheln. Immer mal kurz hält er Ausschau.

Schließlich kommt er glücklich schnurrend, wie es ein Kater macht, zu uns ins Zimmer, nimmt auf dem Sofa Platz und möchte liebevoll behandelt werden. Da etwa sind die zehn Minuten, wo er uns etwas Kraulen erlaubt. Denn er hat das Kraulen nicht so gern. Seit seiner geschlagenen Kindheit.
„Womöglich hat er nie Liebe erfahren“, meint meine Frau. „Das glaube ich auch.“ Ich sehe mir dieses zweibeinige Wesen an und denke an unseren anderen wildherumtreibenden Gesellen, unseren vierbeinigen Kater im Hausgarten. Ich erhob die Stimme. „Er, unser Zweibeiner in seinen abgetragenen Jeans und ohne liebevolles Heim, hat fast nur miese Erfahrungen gemacht und das nun schon ein Vierteljahrhundert lang.“ sagte ich zu meiner Frau. Sie antwortete: „Aber er kann ja schon wieder mauzen, etwas zumindest.“

Kratzen kann er wie ein wilder Kater, er zeigt seine leuchtenden Augen, macht den Rücken gerade und reicht uns sein kurz geschnittenes Hinterkopfhaar zum Anfassen. Er redet etwas mehr mit uns als sonst in all den Tagen. So unerwartet, wie er kam, so unerwartet verschwindet er auch wieder. Lautlos schleicht er hoch in sein Zimmer und rollt sich in die Decke ein. „Hast du gespürt, wie der Bengel seinen mehrmals verprügelten Rücken gerade machen kann?“
„Ein wild aufgewachsener Kater riecht es, wenn ihm ein Mensch begegnet, der es lieb mit ihm meint. „Wir werden dich mit aller Familienliebe die bissigen Zähne und die kratzenden Nägel friedvoll anzuwenden lernen.“
Bei diesen Worten entschließe ich mich, dem oben in die Decke eingerollten Zweibeiner etwas Liebes zur Nacht zu sagen. Wie es mit herumstreuenden Katern ist, so ist es auch mit diesem Zweibeiner.
Ich sage ihm: „Schlaf gut und träume wunderschöne Träume.“
Er dreht sich tiefer in die Decke, schnurrt einmal erwartungsvoll und sagt dann ein wenig bissig: „Ja.“

Das alles, die Hinwendung zu ihm und das gegenseitige Vertrauen fassen, braucht womöglich lange Zeit und viel Geduld. Wer von uns Dreien wird sie haben? Zweibeinige Kater sprechen unsere Sprache und man weiß, sie denken genauso wie wir. Sie träumen Wahnsinnsträume, wenn sie zufrieden sind. Sie träumen Mist, wenn ihnen irgendetwas ins Hirn gehagelt ist. Jetzt, wo ich dem eingerollten schmalen Kerl die schönsten Träume gewünscht habe, dreht er mir den Hintern zu. Versteckt sein Gesicht, als solle ich seine Tränen nicht sehen.
Kater leiden still, sagt man. Kater weinen nicht, sie darben seelisch. Soll es dem hier in meinem Bett eingerollten Bengel ebenso ergehen? Wenn er es möchte, bitteschön. Dann soll er sein Leiden nur für sich behalten und in stillster Stille leiden. Wir wollen es nicht so. Wir haben ihn an unser Wohnzimmersofa gewöhnt und an Streicheleinheiten auf unsere Weise. Wie ihn andere gestreichelt haben – wir wissen es nicht. Dieser in die Schlafdecke gewühlte Zweibeiner mauzt nicht mal mit leisestem Ton. Wenn er morgen früh aufwacht, dann wird es so sein wie in den letzten Wochen. Er wird das ihm hingestellte Frühstück essen, er wird sich danach den Körper lecken und er wird sich zufrieden wieder in seine Schlafdecke eindrehen. Er wird schlafend noch die größte Ruhe bei uns finden. Doch sollte jemand an der Haustür läuten, dann wird er sich verkriechen, wie er es in den letzten Tagen immer tat. Meine Frau hat dann wieder diesen hilflosen Blick, weil sie möchte, dass er sich unseren lieben Gästen zeigt. Das ist aber mehr Wunsch als Realität.

Wir werden diesen manchmal schnurrenden zugelaufenen Zweibeiner nicht lange halten können. Sollten wir das tun wollen, dann würde er vermutlich verstört die Bettdecke bepinkeln. So wie es halt im Haus lebende wilde Kater tun, um auf diese Weise ihre Art von Rebellion zu zeigen. So müssen wir mit dem herumstreunenden Zweibeinkater leben.
Behutsam einmal, ein anderes Mal eher fordernd. Aber immer liebevoll. Ein derbes Wort für einen durchtrainierten Kater kann schon zum Chaos im Zusammenleben führen. Eigentlich wollen wir, dass er sein Revier geruchlich als Heimat markiert. Wir wollen auch, dass er sich in diesem heimatlichen Terrain wohlfühlt.

Mehrmals haben wir ihn fotografiert. Da lacht der Bub mit glühenden Augen. Da schaut er fragend und mit wissbegierigem Blick. Da sind die menschlichen Kateraugen ausdrucksstärker als all seine anderen Blickpunkte. Es wäre schön, wenn wir dem schleichenden Herumstreuner das heimische Schnurren für immer beibringen könnten. Wir stellen uns das so vor: >Er sitzt auf der Wohnzimmerbank und lässt sich liebevoll kraulen. Ihm kommt gerade nicht irgendwelche Angst in den Kopf und er legt auch nicht die Ohren an. Er schaut mit seinen sonnenaufgetauten Augen unsere streichelnden Hände an, möchte von Stund an sprechen.< So denken wir uns das, doch er denkt anders. Akkurat packt er seine Sachen zusammen, geht noch einmal schleichend durch das Haus, durch den Garten und verabschiedet sich mit einem Blick, bei dem uns die Tränen kommen. „Bleib doch“, sage ich fast bittend. „Ich kann nicht bleiben, weil die Zukunft ruft“, mauzt er und kratzt sich sein erholtes Fell.
„Er sucht die Heimat“, schluchzt meine Frau. Dann schnürt der junge Kerl sich seinen Wams, nimmt noch mit Freude die Kniften für unterwegs entgegen, stopft sie in seine Taschen und stapft in die Nacht. Wie ein gestiefelter Kater.

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Die Siegerehrung zum Wettbewerb "U20-Ü60"

Es war schwer, aber die Jury hat entschieden...