Die Ameisensiedlung

Autorin: Mirijam Günter
Eine bewegende Erzählung

Tief durchatmen – das musste ich, als ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen hatte. Es ist wirklich lange her, dass mich ein Buch so bewegt hat.

In dem Roman geht es um die 15-Jährige Conny und ihre Clique, die in der „Ameisensiedlung“ leben, das „Asi-Viertel“ am Stadtrand. Conny und ihre unzertrennliche Clique schwänzen gemeinsam die Schule und hängen statt – wie „normale“ 15-Jährige zu lernen – lieber vor der Einkaufszentrum rum, klauen Zigaretten und sind immer wieder in Schlägereien verwickelt. Mit ihrer Clique geht Conny außerdem regelmäßig „containern“, also alte Essensreste aus Müllcontainern suchen, weil das Geld Zuhause nicht reicht oder für Alkohol ausgegeben wird. Connys Mutter ist Alkoholikerin, ihren Vater kennt sie nicht. Genauso geht es ihren jüngeren Zwillingsbrüdern – Vater ebenfalls unbekannt.

Als Conny einmal nach Langem beschließt, wieder zur Schule zu gehen, trifft sie auf einen Lehrer, der sie wirklich Ernst nimmt und mit allen Mitteln versucht, ihr zu helfen, eine bessere Zukunft zu bekommen. Doch trotz aller Bemühungen ihres Lehrers – Conny und ihre Clique nehmen ihn weiterhin als Bedrohung wahr. Conny zieht sogar bei ihrem Lehrer ein, ihre Mutter macht einen Entzug und doch – so scheint es –  wird einfach nichts besser. Connys Herz gehört in die „Ameisensiedlung“, in reichere Viertel zu ziehen ist Verrat an der eigenen Clique. Das könnte sie nicht tun...

*Ein bewegendes Buch*
Das Buch hat ein offenes Ende, das ich jetzt aber nicht verraten möchte – selber lesen! Auf dem Buchrücken steht ein Zitat von Günter Wallraff „...ein zutiefst aufrüttelnder und schonungsloser Sozialreport.“ Dem kann ich wirklich nur zustimmen, schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so bewegt wie dieses. Da der ganze Roman aus Connys Sicht und demnach auch in ihrer Sprache geschrieben ist – also schonungslos und wahr – konnte ich mich trotz der total verschiedenen Situationen, in denen wir stecken, gut in sie hineinversetzen.

*Andere Sichtweise bekommen*
Außerdem habe ich durch das Buch eine andere Sicht auf die „Asis“ in deutschen Städten gewonnen. Ich denke nicht mehr „ach, die sind eh alle selber Schuld, sollen sie halt mal was lernen...“ usw. Natürlich, das wäre ein erster Ansatz, aber es ist leichter gesagt, als ausgeführt. Ein paar Buchpassagen haben mich besonders bewegt. Zum Beispiel die Aussage von Connys Mutter zu einem ihrer Lover im Vollrausch: “Darf sich deine Mutter vielleicht auch mal was leisten, nachdem, was ich alles für euch tu? Paul, das ist übrigens meine älteste Tochter, sie heißt Conny und ich hab nur Scherereien mit ihr. Ich hätte sie abtreiben lassen sollen, dann wäre mir einiges erspart geblieben...“

*Fazit:*
Ich habe das Buch verschlungen, so gut war es geschrieben. Ich kann es nur empfehlen und schätze, dass man es so ab ca. 14 Jahren lesen sollte. Ein wirklich nervenaufreibender und zum Nachdenken anregender Roman.

Autorin / Autor: MissCheeky - Stand: 31. Oktober 2006