"Der Zweck der Kontrolle ist die Kontrolle. Der Zweck der Macht ist die Macht. Der Zweck der Folter ist die Folter. Mein Gott, Elliott, schau dich nur an… Du wirst diesen Ort beherrschen, wenn wir weg sind.“
Sein Vater sitzt seit Monaten schweigend vor dem Fernseher. Seine Mutter arbeitet rund um die Uhr und kann Elliott trotzdem nur eine Schuluniform aus dem Secondhand-Laden kaufen. Einfach weil er auffällt, wird er in der Schule geschlagen und gedemütigt. Elliott, das Opfer, das nur darauf wartet, bestraft zu werden.
Doch jetzt soll alles anders werden: neues Haus, neue Stadt, neue Schule. Elliott ist fest entschlossen, nie wieder Opfer zu sein. Mit veränderter Frisur, teuren Kleidern und Sportgeist, erfindet Elliott sich neu und wird akzeptiert. Er lernt, nach außen hin gleichgültig, kühl und selbstbewusst zu wirken. Niemals lässt er sein altes Ich wieder an die Oberfläche dringen. Den Versuch, unsichtbar zu werden, tauscht er gegen den Plan, auf die richtige Art und Weise aufzufallen. Auffällig genug zu sein, um reinzupassen.
Doch schon bald fällt Elliott wieder zu sehr auf – dieses Mal jedoch nicht als Opfer, sondern als potenzieller Täter. Die „Wächter“ ernennen ihn zum Nachfolger. Das ist eine Organisation, die die Gewalt an der Schule leitet, beobachten lässt, Opfer und Täter wählt, „Bestrafungen“ bestimmt. Kontrolle gibt ihnen Macht. Beeindruckt von seiner äußeren Gleichgültigkeit und Härte wählen sie Elliott aus und lassen ihm keine Wahl: um zu überleben, muss er sich ihnen anschließen.
Doch der Wächter Elliott ist nur eine von vielen Masken, ebenso wie die Unschuld, die er zu Hause vorspielt. Doch weiß Elliott noch wer er wirklich ist und wen er spielt? Selbst als er sich in Louise verliebt, ein selbstbewusstes, hübsches Mädchen, kann er sich ihr gegenüber nicht öffnen.
„Er konnte sich nicht erlauben, die Elliotts, die er erschaffen hatte, sich selbst zu überlassen. Sie bedurften ständiger Aufsicht, Aufmerksamkeit, Korrekturen, Verbesserungen. Wenn er nicht auf der Hut war, konnte es erschreckend leicht geschehen, dass er das Falsche sagte, unangemessen reagierte und nicht mehr wusste, welcher Elliott er gerade war. Wenn das jemals geschehen würde, wenn sich die Wege der verschiedenen Elliotts jemals kreuzen sollten, wenn die Maske, die er gegenüber den Wächtern aufsetzte, auch nur eine Sekunde ins Rutschen geriet… Dann gäbe es keine Gnade. Er würde vernichtet werden.“
Gibt es noch einen wahren Elliott? Welcher ist es und wann kommt er zum Vorschein? Wenn er mit Louise redet, aus Mitleid einem anderen hilft oder brutal einen Hilflosen zusammenschlagen lässt? Elliott verliert sich mehr und mehr bis hin zur völligen Gefühlslosigkeit. Und es scheint keinen Ausweg mehr zu geben…
*Meine Meinung:*
Das Buch packt von Anfang an und ich hatte es in wenigen Stunden von vorne bis hinten durchgelesen. Die Sprache des Buches ist einfach aber eindringlich. Graham Gardner beschönigt ebenso wenig wie er übertreibt. Statt erwarteter drastischer Gewaltschilderungen erschrecken die psychologischen Feinheiten, die Gardner unbarmherzig deutlich macht.
Die Charaktere (nicht nur Elliott, auch die Wächter) sind vielschichtig und ihre Ideen keineswegs plakativ. Sie sind sogar so raffiniert unmenschlich, dass die, die anfangs als unmenschlich empfunden wurden, gegen Ende nur noch einer befremdlichen Idee zu folgen scheinen.
Und so zieht einen das Buch mehr und mehr in seinen Bann. Stellenweise ist es extrem spannend, an anderen Stellen möchte man am liebsten dem Protagonisten eine ordentliche Ohrfeige geben. Aber dieses Bedürfnis geht schnell vorüber, wenn Gardner über Elliotts inneren Gewissenskonflikt spricht.
Ein Buch über Macht, Gewalt, Verfolgung, Angst, Selbstaufgabe und das Gewissen. Lest einfach den Prolog und ihr könnt nicht mehr aufhören!
Autorin / Autor: maryliz - Stand: 27. November 2006