Körpergefühle? Wie bitte soll ich über Gefühle schreiben, die mit meinem Körper zu tun haben? Das war mein erster Gedanke als ich das Thema des Wettbewerbs sah. Ich fühle nichts. Und zwar aus einem Grund: Ich will meinen Körper nicht fühlen. Ich fühle nur eines, wenn ich überhaupt etwas fühle: Ekel. Und dieses ständige Gefühl, unruhig zu sein, mich bewegen zu wollen, etwas zu tun, damit sich diese Hülle nicht so schwer, träge und unsportlich anfühlt. Weil alles in mir zu zerbersten scheint, weil ich zu viel gegessen habe. Weil ich momentan noch mehr essen muss, um zuzunehmen, um gesund zu werden. Weil ich endlich etwas anderes als Ekel fühlen möchte.
Ich würde mich gerne wohl fühlen in dieser Hülle. Möchte überhaupt schon gar nicht mehr von einer Hülle sprechen müssen. Ich möchte wieder „eins“ sein, mit mir, mit meiner Seele, mit meinem Körper. Nach sieben Jahren Magersucht fühle ich mich einfach nur noch ausgelaugt, die Haare sind stumpf und dünn. Wo früher freche Locken waren, die kaum zu bändigen waren, ist jetzt nur noch ein Rest dünner Haare, die an der Stirn erschreckend dünn wirken. So wie den Rest meines Körpers mag ich die Haare nicht. Nur in wenigen Momenten fühle ich mich wohl. Wenn ich in der Klinik im Schwimmbad bin oder Tanztherapie habe. Wenn ich ab und an durch den herbstlichen Wald spazieren gehe, die Sonne in mein Gesicht scheint, ich den Duft des Laubes rieche und mich für einen Moment entspanne.
Ich möchte so oft weinen, wenn ich merke, wie ich mich fühle, wenn ich all dies spüre, was mein Körper sein soll. Das Ding mit dem ich Frieden schließen will, aber das sich so schrecklich anfühlt.
Ich kann nicht verstehen, wie sich das je wieder ändern soll. Hätte ich die Wahl und könnte die Zeit zurückdrehen, könnte ich mich aktiv entscheiden, ob ich Magersucht wollte, ich würde alles tun, um zu sagen, nein um zu schreien: Nein, ich will nicht!! Nein, nein und Nein! Bitte nicht!
Aber niemand fragt mich und so sitze ich hier, gefangen in mir und mit mir. Es gibt keinen Weg zurück und mit Sehnsucht sehe ich andere Mädchen in meinem Alter, die Sport treiben, die strahlen und lachen. Niemand von ihnen hat einen perfekten Körper, niemand, aber sie können lachen. Das habe ich verlernt, als ich dachte ich könnte glücklicher sein, wenn ich weniger wiege. Genau das Gegenteil war der Fall, ein paar Mal stand ich am Rand des Todes, habe nun eine schwere Essstörung, von der ich nicht weiß, ob ich sie je in den Griff bekomme und habe das wichtigste verloren: Meine innere Ruhe, mein Lachen, mein Innerstes. Alles ging drauf. Nur für diese Hülle, die mich nicht einmal glücklich machte.
Und dann lese ich das: Schreibwettbewerb zum Thema „Körpergefühle“. Wie ich das Thema hasse, eben weil es mich so an den Rand brachte, weil es mich so kränkt, so verletzt. Weil es mir so weh tut wenn ich mich fühle und vor mir ekle. Weil da nichts ist, einfach gar nichts, nur Schmerz, dass ich so bin und ich nicht weiß ob ich je ein normales Mädchen werde. Oder ob ich auf immer gefangen bleibe in meinem Körper und meiner Sucht. Als ich meinen Text lese, werde ich wütend, wütend über meine Situation, wütend dass ich so etwas schreibe. Es gibt mir Kraft auch morgen wieder die Schwere des Körpers auszuhalten, um mich irgendwann leichter zu fühlen, aber mit deutlich mehr Kilos. Die Seele die in mir ist, die wiegt nicht schwer. Die ist ganz leicht. Leicht und frei, so wie ich mich fühlen will. Und mein Leben? Ja das soll mehr Fülle haben… Egal ob 30 Kilo der 60, ich will wieder Mensch sein und kein Körpergefühl!