Charlottes Traum
Autorin: Gabi Kreslehner
In Charlottes Leben läuft im Moment gerade nichts so, wie sie es gerne hätte: ihre Eltern trennen sich, sie muss sich um ihre kleinen Brüder kümmern, wodurch sie kaum noch Zeit für sich selbst hat, und ihre Noten in der Schule lassen auch zu wünschen übrig. Und gerade in diesem chaotischen Sommer begegnet Charlotte auch noch zum ersten Mal der Liebe. Wie verwirrend, aufregend und berauschend schön diese erste Begegnung für sie ist beschreibt die Autorin Gabi Kreslehner in ihrem ersten Roman so überzeugend, dass die Leserin gar nicht umhin kann, sich in Charlotte hinein zu versetzen und mit ihr zu fühlen. Zu Anfang ist es nur Mitleid, das man für die Protagonistin empfindet, wenn Charlotte in stets einfachen Sätzen erzählt, wie sie sich fühlt, wenn sie daran denkt, dass nach ihrem Auszug eine andere Familie in das Haus gezogen ist, in dem sie selbst ihr ganzes Leben lang gewohnt hat. Es fällt nicht schwer, ihre Mutter zu bemitleiden, die sich nach der Trennung erst in etliche Serien und dann in eine Beziehung mit dem Nachbar Melchior flüchtet. Charlottes Geschichte ist im Grunde nur eine unter etlichen tausenden, die sich alle so sehr ähneln, dass man sie oft kaum voneinander unterscheiden kann. Aber die meisten dieser Geschichten werden nicht in dem absolut ehrlichen und schonungslosen Tonfall erzählt, wie es hier der Fall ist. Dieser Schreibstil macht es den Leserinnen sehr leicht, der Geschichte zu folgen, die zuweilen doch sehr verwirrend sein kann. Gerne folgt man Charlotte weiter durch die Sommermonate in denen sie den Sulzer und Carlo, beides Jungen aus ihrer Klasse, näher kennen lernt und glaubt, sich in beide zu verlieben. Dabei sind die beiden so grundverschieden.
Sulzer, der sonst immer so grob auf sie gewirkt hat, beweist ihr plötzlich, dass er auch eine sanfte Seite hat und Carlo, der verträumte Italiener, nimmt sie mit seinem Charme voll und ganz für sich ein als er ihr traurig lächelnd erzählt, dass er sich in Deutschland immer noch nicht wie zu Hause fühlt, obwohl er doch hier geboren wurde. Trotz all ihren Glücks verfällt Charlotte immer wieder in Trübsinnigkeit, wenn sie zum Beispiel ihren Vater und seine neue Freundin besucht oder mit ihrer Mutter aneinander gerät. Das Leben ist doch nicht so einfach, wie es an sonnigen Tagen im Park mit Carlo oder dem Sulzer zu sein scheint.
Völlig zu recht wurde Gabi Kreslehner für ihr Erstlingswerk mit dem Peter Härtling Preis ausgezeichnet. Selten gelingt es einer Autorin oder einem Autor das Leben eines 15-jährigen Mädchens auf der einen Seite so schonungslos und ehrlich, auf der anderen Seite aber auch so vorsichtig wiederzugeben. Kreslehner schafft damit die Gradwanderung, an der die meisten Autoren scheitern. Und somit bringt sie die Leserin zum Lächeln, als Charlotte sich schließlich entscheidet.
*Erschienen im : Beltz Verlag*
Autorin / Autor: sulie - Stand: 23. Juli 2009